Eine Streitmacht, zwei Kommandos

■ Jetzt geht es um die Details der Kosovo-Friedenstruppe. Fischer: „Die Zeit drängt“

Trotz der Einigung der G-8-Außenminister auf einen Prinzipienkatalog zur Lösung des Kosovo-Konflikts hat Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) vor zu großem Optimismus gewarnt. Das Treffen in Bonn sei durchaus ein „entscheidender Schritt, um dem Frieden in Kosovo näherzukommen“, sagte er am Freitag im Bundestag. Die angestrebte Resolution des UN-Sicherheitsrates nach Kapitel VII (Friedenstruppen ohne Einwilligung des Staates, in dem sie stationiert werden) sei aber „noch ein gehöriges Stück entfernt“.

Die Politischen Direktoren der sieben führenden Industriestaaten und Rußlands (G8) werden sich voraussichtlich kommende Woche treffen, um eine Kosovo-Resolution für den UN-Sicherheitsrat vorzubereiten. Fischer sagte, angesichts der dramatischen Lage vor Ort gebe es einen „hohen Zeitdruck“, eine solche Resolution zustandezubringen.

Wie die New York Times am Freitag meldete, strebt die US-Regierung eine Friedenstruppe mit geteiltem Kommando an: Im Norden des Kosovo, wo mehrheitlich Serben leben, solle eine von Rußland geführte Truppe stationiert werden, die nicht unter Nato-Kommando stehe. Im Rest des Kosovo solle eine multinationale, unter Nato-Oberbefehl stehende Friedensstreitmacht für die sichere Rückkehr der Flüchtlinge sorgen. Eine solche Regelung sei die wahrscheinlichste Option und am ehesten allen Verhandlungspartnern schmackhaft zu machen.

Nato-Generalsekretär Javier Solana hat den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Miloevic zur Annahme der von den G-8-Außenministern erzielten Vereinbarungen aufgefordert. „Wenn Miloevic noch einen Funken Verstand besitzt, müßte der Friedensplan auch für ihn akzeptabel sein“, sagte Solana am Freitag in Barcelona. Andernfalls müsse Miloevic der Plan aufgezwungen werden. Dazu sollten die selben Mittel angewandt werden wie bisher: „Militärischer Druck und politischer Druck zu seiner weiteren Isolierung.“

Der Nato-Generalsekretär sagte: „In der internationalen Gemeinschaft hat Miloevic niemanden mehr, der ihm helfen könnte.“ In der Politik und in den Reihen des Militärs in Jugoslawien werden nach Solanas Angaben immer deutlichere Brüche erkennbar. „Die große Loyalität, die ihm [Miloevic] als starkem Diktator entgegengebracht wurde, löst sich wie ein Stück Zucker auf, sobald er ins Wanken gerät.“

Der russische Präsident Boris Jelzin sprach sich für Verhandlungen über eine Friedensregelung für das Kosovo „ohne Pause und Unterbrechungen“ aus. Jelzins Jugoslawien-Sonderbeauftragter Wiktor Tschernomyrdin sagte, er sehe in diesen Prinzipien eine „sehr gute Grundlage“ für eine Friedensregelung auf dem Balkan. Dies bedeute aber nicht, daß die Prinzipien nicht noch korrigiert werden könnten oder daß sie vollständig von der jugoslawischen Führung akzeptiert würden. Er hoffe, bald zu einer dritten Gesprächsrunde mit Slobodan Miloevic nach Belgrad reisen zu können. „Es steht noch viel Arbeit bevor“, sagte er.

Außenminister Igor Iwanow, der an den Gesprächen der G-8-Staaten teilgenommen hatte, äußerte sich am Freitag in Moskau enttäuscht darüber, daß die Nato keinerlei Bereitschaft zur Einstellung der Luftangriffe gezeigt habe. Die Einigung von vorgestern sei kein Durchbruch, sondern lediglich „ein Schritt in die richtige Richtung“. Stefan Schaaf