■ Soundcheck: Shawn Mullins / Deutsche Kammerphilharmonie
Heute abend: Shawn Mullins. Zeig' mir Deine CD-Credits, und ich sag' Dir, was Du bist: Shawn Mullins (Foto) bedankt sich im Booklet seines aktuellen Albums Soul's Core ganz besonders bei den „clubs, coffee houses, radio stations und music lovers everywhere“. Der Blonde aus Atlanta gehört zu den Legionen von US-Songwritern, die jahrelang anonym durch die Lande tingeln, bis sich der American dream dann noch in einem Video-Hit erfüllt, der bei MTV läuft.
In Mullins– Fall heißt der „Lullaby“. Das Wiegenlied für einen reichen L.A.-Engel hat immerhin zwei gute Zeilen: „Seems like every-one here's got a plan, it's kind of like Nashville with a tan.“ Los Angeles als Nashville auf der Sonnenbank. Doch selbst den hübschen Vergleich ruiniert Mullins mit einem Vortrag, der arg den Gratis-Rebellen raushängen läßt.
So geht das dann fast das ganze Album lang. In Songs wie „The Gulf Of Mexico“ versendet Mullins diverse Postkarten-Klischees. Wie anglo-amerikanische Kritiker Shawn Mullins auf den Spuren von Townes Van Zandt wähnen, bleibt vorerst ziemlich schleierhaft. Jörg Feyer
Grünspan, 20 Uhr
Heute abend: Deutsche Kammerphilharmonie. Teuer, aufgedonnert und an sieben von zehn Abenden stinklangweilig, so geht es zumindest hier in Symphonie-Konzerten zu. Kommt aber mal ein Orchester und macht es spannend, interessant und unterhaltsam, wird es todsicher bei Dr. Goette, Hamburgs einzigem Veranstalter größerer Konzertreihen, gegen den Ofen laufen. Daher pflegt sich die Deutsche Kammerphilharmonie selbst zu veranstalten.
Weil die jungen Spitzenmusiker des kleinen Orchesters jeder für mindestens drei „Normal-Instrumentalisten“ zählen, spielen sie beispielsweise ihren Beethoven (beim heutigen Konzert die Eroica) klanggewaltiger als manches Symphonieorchester, dabei aber durchsichtig wie ein Streichsextett. Dirigiert werden sie von Heinrich Schiff, der mit der Kammerphilharmonie seit 1986 zusammenarbeitet.
Vor der Pause wird der Dirigent vom Cello aus Haydns Konzert D-Dur leiten. Als Bonbon für die Freunde neuer Musik wird Wolgang Rihms Gebild verabreicht. Für Menschen, die aufregende Konzerte lieben, die ideale Einstiegsdroge.
Stefan Siegert
Musikhalle, 20 Uhr
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