Die Pimmelprotzer

Mit „Gefährliches Halbwissen“ hat das Hamburger HipHop-Duo Eins, Zwo den Sprechgesang reformiert  ■ Von Eberhard Spohd

Im wahren Leben ist es genauso wie bei ihren Auftritten: Daniel Ebel redet, und Thomas Jensen nickt zustimmend die Beats mit dem Kopf dazu. Hin und wieder wirft er ein Stichwort wie ein Cut ein. Sein Kollege greift es auf, um eine Geschichte daraus zu machen. Wahrscheinlich muß sich das Leben so um die Musik gruppieren, wenn man ein klassisches HipHop-Duo aus DJ und MC sein möchte: Der eine bestimmt den Rhythmus und der andere, wo es langgeht.

Selbstverständlich würden der Rapper und sein Discjockey dieser Ansicht widersprechen. „Am schönsten ist es", schildert Jensen die Zusammenarbeit, „wenn wir zuerst die Beats haben und dann der Text darübergelegt wird." Oft sind aber erst die Lyrics da. „Ich höre ewig Platten nach den richtigen Cuts ab", ergänzt Ebel. Diese isolierten Sprachzitate von Platten seiner MC-Kollegen liefern dem Rapper oft die Grundlage für einen ganzen Text. „Ich höre eine Zeile und überlege, wie ich sie in eine Geschichte einbauen kann, die ich schon immer erzählen wollte." Wobei sich der Inhalt auch komplett verändern kann: Aus einem Stück über die Leopardenfell-Badehose seines Vaters wurde – für ihn selbst überraschend – eine Homestory über seine Nachbarin, die Omi aus dem ersten Stock.

Daß HipHop irgendwann zum Lebensinhalt für den Sauerländer werden sollte, war eigentlich schon vorbestimmt, als er noch Hardrock-Fan war: „Ich hatte damals auch einen Metallica-Aufnäher", erinnert er sich. Wie bei so vielen Konvertiten war die Initialzündung ein Stück von De La Soul: „Eben noch hatte ich Metal auf meinem Walkman", erzählt Dendemann, „da setzte mir mein Banknachbar seinen Kopfhörer auf und spielte mir Me, Myself and I vor." Dendemann kann lange über die amerikanischen Einflüsse auf deutsche Produktionen dozieren, während Rabauke ganz selbstverständlich daneben sitzt und nickt.

Wann sich Dendemann und Rabauke denn das erste Mal begegnet sind, läßt sich im Nachhinein nicht mehr so einfach klären. „Bei einem Auftritt in Husum“, behauptet der ehemalige Rapper der Mendener Formation Arme Ritter. „Nein, in Neumüster“, widerspricht der Tour-DJ von Fettes Brot. Einig ist man sich aber, was damals den Ausschlag gab, gemeinsam einen Track zu produzieren: „Rabauke unterlegte ein Stück der Brote beim Soundcheck mit einem Cut von STF“, schildert Dendemann den Gründungsmythos von Eins, Zwo. „Das hatte ich noch nie gehört, daß jemand mit einem zum Stück passenden Sprachsample arbeitet, dabei war das genau, was ich auch immer machen wollte." Dendemann läßt sich nicht stoppen. „Schon am nächsten Tag haben wir uns zusammengesetzt und angefangen, ,Weniger ist mehr' zu produzieren.“ Und dann wird es geradezu rührselig: „Ein paar Tage später hat Rabauke mir erzählt, daß er ein neues Projekt gründen wolle und gefragt, ob ich nicht mitmachen wolle. Da haben wir uns in den Arm genommen.“ Und Eins, Zwo machte sich ans Werk, den deutschsprachigen Sprechgesang aufzumischen.

Mit ihrem jüngst erschienenen Album Gefährliches Halbwissen beweisen Eins, Zwo, daß sie zu den ambitioniertesten Mitgliedern im wachsenden Clan deutscher HipHopper zählen. Und sie beweisen, daß sich Geduld auszahlt. Von Anfang an war klar, daß sie nicht hurtig auf den anfahrenden Kommerz-Zug springen wollten, obwohl Dendeman bekennt: „Vielleicht ist Geld HipHops schönste Begleiterscheinung.“ Statt dessen ließen sie sich viel Zeit bei der Entwicklung und Produktion der LP und waren häufig auf Tour. Nicht zuletzt aufgrund der Live-Erfahrung sind die Reime inzwischen so ausgereift, daß Dendemann und Rabauke es geschafft haben: „Wir gehen pimmelprotzig ab, wenn der Rest am Pennen ist und träumt.“