Blick aus dem Schützengraben

Unter dem Protest einiger AnwohnerInnen wurde am Sonnabend das „Nachdenkmal“ in Groß Borstel eingeweiht  ■ Von Heike Dierbach

Den RednerInnen das Wort abzuschneiden, gelang nur dem Regen für einen kurzen Moment – eine Fontäne hatte sich vom Dach eines Planen-Unterstandes auf einen Lautsprecher ergossen. An die Störungen durch Trillerpfeifen, Tröten und erregte Zwischenrufe hingegen hatten sich die Gäste am Ende der Feier fast schon gewöhnt: Am Sonnabend wurde das „Nachdenkmal“ am Licentiatenberg in Groß Borstel eingeweiht.

Die Proteste von AnwohnerInnen waren zu erwarten gewesen. Der zwei Meter tiefe Graben des Künstlers Gerd Stange, der ein kriegsverherrlichendes Denkmal mit Reichsadler auf dem Licentiatenberg konterkarieren soll, ist für manche „ein Schandfleck“. Am Dienstag drohte gar ein anonymer Anrufer mit einer Bombe. Bei der Eröffnung war deshalb die Polizei vor Ort. Eingreifen mußte sie indes nicht. Nur am Rande kam es zu einer kurzen Rangelei, die aber von den Umherstehenden beider Seiten schnell unterbunden wurde – und auch diese Kontrahenten sah man später friedlich diskutieren.

Die BefürworterInnen des Denkmals waren sichtlich bemüht, die gut ein Dutzend erbosten Protestierer, zumeist NachbarInnen, mit Argumenten zu überzeugen: „Sie können auch Ihre Meinung übers Mikrofon sagen“, ermunterte eine Frau einen älteren Mann mit Trillerpfeife. Der aber wollte nicht: „Man hat mich nicht gefragt.“ Ein Jugendlicher schimpfte, „das viele Geld“ hätte man besser für die 1998 geschlossene Bücherhalle verwenden sollen. Und Inge Z. versteht gar nicht, was an einem Adler anstößig sein solle? „Im Bundestag ist doch auch einer.“

In der Wand des Grabens ist ein Rohr eingelassen, durch das die BesucherIn genau auf den Reichsadler am Kriegerdenkmal blickt. Die Wirkung ist so einfach wie genial. Die bedrückende Enge des „Schützengrabens“ entlarvt das Trügerische des „stolzen“ Symboles. „Gerade der Haß, den dieses Kunstwerk hochspült, zeigt, wie wichtig und aktuell es ist“, so Volker Stranz vom Förderverein des Nachdenkmals gestern. Auch Volker Plagemann, Staatsrat der Kulturbehörde, die das Projekt gefördert hat, betonte: „Diese Auseinandersetzungen werden uns allen guttun.“

Prominenteste Festrednerin war die preisgekrönte Hamburger Autorin Peggy Parnass. Sie widmete ihre Rede zum großen Teil dem aktuellsten Bezug des Denkmals, dem Jugoslawien-Krieg. Vermeintlich linke Freunde hätten ihr als Gegnerin der Nato-Angriffe in den vergangenen Wochen das Wort „Pazifistin“ wie ein Schimpfwort entgegengeschleudert, so Parnass: „Ich komme mir oft vor wie in einer Gewissensprüfung für Kriegsdienstverweigerer.“