„Wir werden uns jetzt stetig steigern“

■ Bundestrainer Heiner Brand will vor der Weltmeisterschaft in Ägypten mit Lehrgängen und Testspielen wie jenen gegen Kroatien Lust und Laune am Handball bei seinen Spielern fördern

Karlsruhe (taz) – So sieht es also aus, wenn die deutsche Handball-Nationalmannschaft fortfährt ins Trainingslager: Ein bißchen Tennis spielen, ein bißchen Fußball, zur Abwechslung kann es ruhig auch einmal eine Partie Golf sein; der im Umgang mit Holz und Eisen noch ungeübte Nationalspieler darf das Bällchen wahlweise auch im Kleinformat auf der Bahn ins Loch schubsen. Schöne Tage müssen das gewesen sein im spanischen Estepona an der Costa del Sol. „Einen Handball haben wir gar nicht mitgehabt“, sagt Heiner Brand, der Bundestrainer. Was keineswegs aus Vergeßlichkeit geschehen ist, schon eher aus bloßer Absicht. Denn an Handball sollten die Spieler auch gar nicht denken. Ganz im Gegenteil: „Sie sollten abschalten vom Bundesliga- und Europapokalstreß der vergangenen Monate“, sagt Brand, Regenerationslehrgang hat er das Trainingslager deshalb auch genannt.

Der reine Müßiggang waren die viereinhalb Tage unter der Sonne Spaniens dennoch nicht. „Die Jungs“, kann Brand berichten, „sind viel gelaufen“, manchmal so viel, daß selbst der Trainer davon nichts wußte. „Da kamen mir dann plötzlich acht, neun Leute joggend auf der Straße entgegen“, erzählt Brand schmunzelnd; als positives Zeichen, wie willig die Mannschaft schon wieder bei der Sache ist nach einer so langen und kräftezehrenden Saison, will der Bundestrainer das gewertet wissen.

Genau so hat sich der Mann mit dem Schnurrbart das auch vorgestellt. Denn jede Menge Lust und Laune auf Handball wird es brauchen in den kommenden Wochen. Zwei weitere Lehrgänge stehen für die Spieler auf dem Programm, zudem insgesamt sechs Testspiele, bevor sie der Flieger am 29. Mai nach Kairo bringt, wo drei Tage später die Weltmeisterschaft beginnt. Von null auf hundert gilt es den Motor bis dahin hochzufahren. „Wir werden uns jetzt stetig steigern“, verspricht Brand, möglichst so, wie sie es im Vorjahr gemacht haben, Platz drei bei der EM stand da am Ende.

Der Anfang der heißen Vorbereitungsphase am Samstag in Karlsruhe war schon mal gar nicht so übel. Mit 26:22 gewannen die Männer vom DHB da gegen den, allerdings nicht in Bestbesetzung angetretenen, Olympiasieger aus Kroatien, schon am Sonntag standen sich beide Teams in Ludwigsburg neuerlich gegenüber (bei Redaktionsschluß nicht beendet). Doch rein ergebnisorientiert denkt Heiner Brand derzeit ohnehin noch nicht. Vielmehr geht es um Fingerzeige, die ihm am Ende helfen sollen, jene rauszufiltern, von denen der Bundestrainer glaubt, daß sie schlußendlich der jeweils anstehenden WM-Aufgabe am besten gewachsen sind. So fand es der Gummersbacher in Karlsruhe durchaus „interessant, daß wir Probleme hatten, als die Kroaten offensiver gedeckt haben“. Auch daß diese erst dann wieder weniger wurden, als Karsten Kohlhaas beim Stand von 19:16 (47.) zurück auf die Bank mußte und die Anfangsformation im Rückraum mit Markus Baur, Volker Zerbe und Daniel Stephan, der vor dem Spiel als Welthandballer des Jahres geehrt wurde, wird Brand sich merken. Ebenso den furiosen Auftritt von Rechtsaußen Bernd Roos in der zweiten Halbzeit des Karlsruher Spiels.

Wie ein Mosaik wird der 46jährige diese Dinge zusammensetzen, ein letzter, besonders großer Stein kommt beim Lehrgang ab Mittwoch in Grünberg noch dazu. Dort nimmt Rückraumroutinier Bogdan Wenta das Mannschaftstraining auf, nachdem er zwei Wochen lang bei Mannschaftsarzt Dr. Berthold Hallmaier wegen einer nach Operation verklebten Achillessehne behandelt wurde. „Ich bin optimistisch“, sagt Brand und meint damit das anvisierte WM-Mitwirken Wentas, „er ist schon wieder sehr gut gelaufen.“ Viel mehr hat der Rest in Spanien ja auch nicht gemacht. Frank Ketterer