Die Füße lahmen, aber die Psyche ist intakt

■ Uefa-Cup? Ja, aber: Nach dem 1:1 gegen Nürnberg pfeift Wolfsburg aus dem letzten Loch

Wolfsburg (taz) – Während drüben in der Autostadt beim Sponsor die Bänder längst wieder lustig rotieren, steht beim VfL Wolfsburg auch heute noch der Betrieb still. Drei Spiele stehen noch zwischen Klub und Uefa-Pokal-Premiere, das nächste in Bochum – aber die Mannschaft pfeift aus dem letzten Loch. Mindestens. Ruhe ist angesagt.

Obwohl, Ruhe? Wenn man eine imposante Heimbilanz hat (neun Siege, zwei Niederlagen) ist man natürlich nicht glücklich nach einem 1:1 gegen einen 1. FC Nürnberg. Aber irgendwie doch, weil Prägers Ausgleich ja in letzter Sekunde fiel. Champions League, hat Manager Peter Pander schon immer gern versichert, „ist eine Nummer zu groß für uns“. Aber den Uefa-Pokal-Platz – so überraschend das alles kam – darf man eigentlich nicht mehr hergeben, um den Aufschwung des Unternehmens zu festigen.

Wird man nicht, glaubt Wolf nach Auswertung der Tabelle („es ist ja nichts passiert“). Drei Punkte Vorsprung hat man auf den HSV, vier auf den MSV Duisburg, der noch hofft, die Sache werde am letzten Spieltag im direkten Vergleich ausgespielt. Wolf sagt, er sei bereit, glaube aber nicht dran. Er rechnet offenbar eher mit dem HSV, dem er „einen personellen Lauf“ attestiert. Soll heißen, der HSV hat alle Mann an Bord und ist zum Saisonende mächtig in Schwung, während der VfL personell und körperlich voll durchhängt. Ein Facharbeiter wie Detlef Dammeier gewinnt zwar noch immer auf beeindruckende Art Bälle, aber eigentlich tragen ihn die Beine nicht mehr (Adduktoren). So geht es vielen, und deshalb kann der VfL Wolfs sein aufwendiges Spiel nicht mehr richtig durchsetzen.

Als Claus Reitmaier den Weitschuß von Club-Libero Baumann durchrutschen ließ (29.), mußte man am Samstag auch noch das tun, was man eh nicht will oder kann – agieren. Es war ein persönlicher, und zwar des Keepers „erster großer Patzer“ (Wolf) der laufenden Runde – aber auch Folge der Verfassung des Teams. Mit der umgehenden Einwechslung des dritten Stürmers Baumgart spielte Wolf zwar Nürnbergs Trainer Rausch in die Pläne, aber, sagte er, „ich mußte es riskieren“. Weil Nürnberg „sehr gut zustellte“ (Wolf), vulgo: mauerte, und aus grundsätzlichen Gründen blieb dem VfL aber bloß der hohe Flugball – ein fruchtloses Mittel, das so gut wie keine Chancen brachte.

Warum Roy Präger dann doch noch traf? Gute Frage. Zum einen, weil Präger eben einen Lauf hat. Führungsspieler Reitmaier wertet es logischerweise lieber als Belohnung der „Moral“ . Natürlich ist so was „gut für die Psyche“ (Reitmaier). Hätte der VfL verloren, hätte man ihm wegen uninspirierten Beharrens auf den Flugball Hilflosigkeit vorwerfen müssen. Jetzt kann man es als Stoizismus durchgehen lassen. Und Prägers Treffer löste dann eben doch einen gewaltigen kollektiven Befreiungsschrei bei Team und Anhängern aus (wenn man bei 14.000 Leuten davon reden darf).

Auch Club-Trainer Rausch schrie. Und zwar die Worte „fahrlässig, „amateurhaft“ und „Dummheit“. Er war vermutlich der einzige, der ging, obwohl das Spiel noch lief. Es war schon das siebte Mal, daß der Club in den letzten Minuten ein zählerminderndes Tor fing. Präsident Roth blieb immerhin erstaunlich gelassen und sagte: „Ein Punkt ist besser als keiner.“ Eben.

Nürnberg hat auch so reelle Aussichten auf den Klassenerhalt.

Und der VfL? Eine Niederlage (bei Hertha), einen Sieg (gegen den VfB) und dieses Remis, letztere beide von Präger in letzter Minute realisiert, nimmt Wolf aus der Woche mit. Damit, sagt er, „können wir leben“. Heute wird er seine „Schäfchen zählen“. Und dann läuft das Band wieder an. Ganz vorsichtig. Peter Unfried

VfL Wolfsburg: Reitmaier - Maltritz - Thomsen, Kleeschätzky (40. O'Neil) - Greiner, Däbritz (41. Baumgart), Charles Akonnor, Dammeier, Kapetanovic (64. Schröder) - Juskowiak, Präger 1. FC Nürnberg: Köpke - Baumann - Nikl, van Eck - Driller, Lösch (55. Günther), Oechler, Störzenhofecker, Gerber - Kurth (59. Weigl), Ciric; Zuschauer: 14 849; Tore: 0:1 Baumann (29.), 1:1 Präger (90.)