Gerry Adams fordert eine Frist für Verhandlungen

■ Der Präsident von Sinn Féin beklagt den stagnierenden Friedensprozeß in Nordirland

Dublin (taz) – Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams hat die Regierungen in London und Dublin aufgefordert, ein verbindliche Frist für die Verhandlungen um das britisch-irische Abkommen vom Karfreitag vergangenen Jahres zu setzen. Auf dem 93. Parteitag, der gestern in Dublin zu Ende ging, sagte er: „Diese Gespräche können nicht endlos weitergehen, die Regierungen müssen handeln.“

Die Verhandlungen stecken seit Monaten fest, weil Unionistenchef David Trimble die Abrüstung der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) zur Vorbedingung für die Aufnahme ihres politischen Flügels, Sinn Féin, in die nordirische Allparteienregierung gemacht hat. Sinn Féin stehen aufgrund des Wahlergebnisses vom vergangenen Juni zwei Ministerposten zu.

„Es ist verblüffend“, sagte Adams, „daß die Tonnen von Bomben, die auf dem Balkan abgeworfen werden, moralisch und politisch angeblich einwandfrei sind, wärend die schweigenden Waffen der IRA eine Gefahr für den Frieden sein sollen.“ Adams betonte erneut, daß Sinn Féin nicht die Entwaffnung der IRA durchsetzen könne. Er verlangte vom britischen Premierminister Tony Blair, bei der Bildung einer nordirischen Regierung nicht auf Trimble zu warten, sondern selbst die Initiative zu ergreifen.

Offenbar haben sich die Regierungen in London und Dublin aber damit abgefunden, daß es bis zur Sommerpause keinen Durchbruch geben werde. Die Verhandlungen würden dann im Herbst wieder aufgenommen. Viel hängt von der Parade des protestantischen Oranier-Ordens am ersten Sonntag im Juli in Portadown ab: Seit der Marsch durch die katholische Garvaghy Road im vorigen Jahr verboten wurde, kam es dort zu mehr als 200 Auseinandersetzungen zwischen Oraniern und Polizei.

Fast unbemerkt nähert sich eine andere Frist ihrem Ende: Falls bis zum 3. Juni die nordirische Regierung und die gesamtirischen Institutionen nicht eingesetzt sind, treten die irischen Verfassungsparagraphen wieder in Kraft, in denen Anspruch auf Nordirland erhoben wird. Im vorigen Jahr hatte eine Mehrheit im Referendum für die Streichung der Paragraphen gestimmt. Diese Geste an die Unionisten war jedoch an Fortschritte bei der Umsetzung des Karfreitagsabkommens binnen eines Jahres gebunden. Ralf Sotscheck