Kein Regierungsghetto auf dem Moabiter Werder

■  Eigentlich sollten die Bonner unter sich bleiben. Nun aber zieht eine Schule mit hohem Ausländeranteil ins neue Regierungsviertel

Auf dem Moabiter Werder wird es kein Regierungsghetto geben. Nicht Diplomatenkinder, sondern ganz normale Grundschüler aus Tiergarten werden zukünftig die neuerbaute Schule auf dem Moabiter Werder besuchen. Der Schulausschuß des Bezirks hatte Ende vergangener Woche mit Stimmen von SPD, Grüne und CDU beschlossen, daß die Anne-Frank-Schule, die im Moment in der Turmstraße residiert, an die Spree zieht. Auf dem Moabiter Werder werden neben einem Kindergarten für Bundesbedienstete derzeit 718 Wohnungen überwiegend für Bundestagsabgeordnete gebaut.

Bislang war die Schule auf dem Moabiter Werder als Sitz einer Internationalen Gesamtschule im Gespräch gewesen, auf die vorranging Kinder von Diplomaten gehen sollen. Außerdem soll sie Kinder von Bundestagsabgeordneten aufnehmen. „Das bedeutet eine Alternative weniger für einen Standort für eine Internationale Schule“, kommentierte Almuth Draeger, Sprecherin von Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD), deshalb die Entscheidung des Ausschusses. Jedoch seien „noch weitere Standorte in der Diskussion“. Auf dem Moabiter Werder werden sich die BewohnerInnen künftig mit der multikulturellen Realität auseinandersetzen müssen: Drei Viertel der Kinder der Anne-Frank-Schule sind nichtdeutscher Herkunftssprache, die TürkInnen werden zweisprachig erzogen. Doch es gibt auch Probleme. Eltern kritisierten vor einigen Monaten in einem offenen Brief, daß es insbesondere zwischen türkischen und arabischen Jungen und deutschen Mädchen eine Zunahme gewalttätiger Konflikte gebe. „Meine Tochter ist als deutsche Sau bezeichnet worden und in den Bauch getreten worden“, berichtet Petra Sertcan, Mutter der 11jährigen Lisa. Auch Rektor Kurt Bohley sieht Konflikte, verweist aber auf erfolgreiche Schlichtergespräche zwischen den Kindern. Das Landesschulamt bezeichnet die Anti-Gewalt-Projekte der Grundschule als vorbildlich.

Wenn die Anne-Frank-Grundschule voraussichtlich im Frühjahr nächsten Jahres auf den zirka ein Kilometer entfernten Werder umzieht, soll der Anteil Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache jedoch mittelfristig auf 60 Prozent gesenkt werden. Im Schulentwicklungsplan sollen die Einschulungsbereiche neu zugeschnitten werden. Danach würden auf die neue Schule weniger Kinder gehen, die rund um die Turmstraße/Wilsnackerstraße leben, wo der Ausländeranteil vergleichsweise hoch ist. Statt dessen wird der Kiez um die Spenerstraße miteinbezogen.

Wieviel Kinder von Bonner Abgeordneten zukünftig auf die Schule gehen werden, ist bisher völlig unklar. „Wir wissen überhaupt nicht, wie viele es sein werden“, sagt Schulleiter Bohley. Die bündnisgrüne Schulstadträtin Elisa Rodé schätzt die Zahl auf 40, weiß aber auch nichts Genaues. Der Schulverwaltung sind ebenfalls keine Zahlen bekannt. Julia Naumann