■ Neue Jobs durch staatlich subventionierten Niedriglohnsektor?
: Die Amerikanisierung der Neuen Mitte

Der Machtkampf um die richtige Wirtschafts- und Sozialpolitik innerhalb der rot-grünen Regierung wird nach Lafontaines Rücktritt wieder schärfer. Nachdem Kanzler Schröder kürzlich vom Flügel des Arbeitsministers Walter Riester bei den 630-Mark-Jobs in die Schranken gewiesen wurde, mobbt die Schröder-Truppe nun zurück. Kanzleramtsminister Bodo Hombach will im Bündnis für Arbeit einen staatlich subventionierten Niedriglohnsektor verhandeln: auch ein Affront gegen den angeschlagenen Arbeitsminister.

Riester – an diesem Punkt ganz der alte Gewerkschafter – denkt eher an die Verbesserung der Lage der Arbeitenden und möchte im Sinne der bestehenden Sozialversicherung den Unternehmen die Sozialabgaben für ihre Billiglöhner aufbrummen. Neue Jobs bringt das nicht – im Gegensatz zu Hombachs Niedriglohnsektor, bei dem der Staat bis zur Lohngrenze von 1.500 Mark die kompletten Sozialabgaben übernimmt. Die Streitfrage lautet: Wer soll die Arbeit bezahlen – die Wirtschaft aus ihrem Profit oder die Allgemeinheit mit ihren Steuern?

Hombachs Konzept könnte tatsächlich viele neue Jobs schaffen. Kein Wunder – werden sie doch für die Unternehmen extrem billig. Damit aber wirklich zusätzliche Stellen herausspringen, darf der Staat nur denjenigen Betrieben einen Sozialzuschuß gewähren, die zum Beispiel im Jahr zuvor niemanden entlassen haben. Andernfalls würden die Firmen lediglich teure ArbeitnehmerInnen feuern und als subventionierte Billigarbeiter wieder einstellen.

Wird Hombachs Vorschlag akzeptiert, werden wir neue Formen der sozialen Differenzierung erleben. Zu den heute schon existierenden Billigjobs kommen dann Hunderttausende hinzu. Langsam, aber sicher verfestigt sich so ein neues Lebensmodell: Von einer Stelle allein kann man nicht mehr leben. Wie in den USA braucht man zwei oder drei, denn 1.500 Mark brutto reichen nicht, um mehr als eine Person zu unterhalten. Ein bißchen Amerikanisierung, ein wenig soziale Abfederung, und fertig ist die Neue Mitte.

Gerade wegen dieser Mischung könnte das Modell funktionieren. Gerechter wäre es allerdings, wie in Frankreich die Arbeitszeit aller Beschäftigten zu senken und somit die Kosten neuer Jobs der Mehrheit der Beschäftigten und den Betrieben anstatt einer Minderheit aufzubürden, die in der sozialen Rangliste ohnehin schon ziemlich weit unten steht. Hannes Koch