Streit um Lohnsubventionen

■ Die Bundesregierung debattiert den Erlaß der Sozialversicherungsbeiträge für Niedriglöhne. Hohe Kosten

Berlin (taz) – 2.200 Mark brutto: Soviel verdient eine Küchenhilfe in Bayern laut Tarif. Netto bleibt davon kaum mehr als 1.500 Mark übrig. Zuwenig Geld ist das für manche Arbeitslose, um sich fast 40 Stunden in der Woche in eine Großküche zu stellen und Tellerstapel zu wuchten.

Auch für den Arbeitgeber lohnt es sich kaum, jemanden in Vollzeit anzustellen: Er muß noch mal 500 Mark an Sozialversicherungsbeiträgen drauflegen, macht mehr als 2.700 Mark für die Hilfskraft. Zu teuer. Die Bundesregierung will das möglicherweise ändern.

Um Niedriglohnjobs für Beschäftigte und Arbeitgeber attraktiver zu machen, streiten Sozialexperten in der Bundesregierung jetzt über mehrere Modelle. Gestern abend nach Redaktionsschluß tagte zu diesem Thema eine Expertengruppe im „Bündnis für Arbeit“. Der Kölner Sozialwissenschaftler Prof. Wolfgang Streeck und der Bochumer Wissenschaftler Rolf Heinze wollten eine Vorschlag präsentieren, nach dem künftig die Sozialversicherungsbeiträge für Niedriglohnjobs bezuschußt werden sollen.

Danach werden sämtliche Einkommen unter 1.500 Mark komplett von Sozialabgaben befreit. Die Beitragssätze sollen dann für Einkommen zwischen 1.500 Mark und 2.800 Mark allmählich ansteigen. Wer über 2.800 Mark brutto verdient, soll ebenso wie sein Arbeitgeber dann den vollen Beitrag zahlen. Diese Lohnsubventionierung könnte einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten, wenn man sie für alle Branchen und alle Beschäftigten einführen würde.

Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) lehnte gestern daher eine solche flächendeckende Subventionierung ab. Solche Zuschüsse führten zu „großen Mitnahmeeffekten“, erklärte Riester. Der Arbeitsminister möchte lieber verschiedeneModelle erproben und beispielsweise nur auf bestimmte Branchen, etwa die Gastronomie, beschränken.

Riester wollte in der gestrigen Expertenrunde zum „Bündnis für Arbeit“ ein Papier vorlegen, nach dem etwa nur Entgelte bis zur Höhe von 1.900 Mark subventioniert werden sollen.

Der Koordinator der IG Metall für die Mitarbeit beim „Bündnis für Arbeit“, Hans-Joachim Schabedoth, erklärte, mit einer flächendeckenden und durchgängigen Subventionierung von Niedriglöhnen trage die Bundesregierung „ein hohes Risiko“. „Wenn das Faß geöffnet und die Finanzierungsmasse nicht mehr überschaubar ist, könnte das das Stalingrad der Bundesregierung werden“, so Schabedoth. Kanzleramtsminister Bodo Hombach hatte sich in der Vergangenheit mehrfach für die Subventionierung von Niedriglöhnen stark gemacht. Man prüfe, erklärte Hombach, ob es einen gangbaren Weg gebe, die Sozialabgaben in einem bestimmten Lohnbereich zu bezuschussen. Bei der Konkretisierung dieser Vorstellungen gebe es allerdings viele Details zu bedenken.

Das Problem der Lohnzuschüsse wurde schon unter der Kohl-Regierung diskutiert: Werden flächendeckende Subventionen eingeführt, erhalten plötzlich auch jene Niedrigverdiener und deren Arbeitgeber Ansprüche auf staatliches Geld, die vorher auch ohne Zuschüsse in Hilfsjobs werkelten. Gleichzeitig besteht die Gefahr, daß Arbeitgeber – ähnlich wie bei den 630-Mark-Jobs – dann vor allem solche subventionierten Stellen einrichten.

Aus Regierungskreisen hieß es gestern, keineswegs würde Kanzleramtsminister Hombach einem Modell zustimmen, nach dem „frisches Geld“ aus dem Bundeshaushalt benötigt werde. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zeigte sich gestern empört, daß die Studie zu subventionierten Niedriglöhnen bereits vor der Sitzung der Steuerungsgruppe bekannt wurde. Barbara Dribbusch