Erläuterungen zu unserer Dokumentation von Zeugenaussagen

Im Kosovo werden von der serbischen Armee, Polizei und paramilitärischen Verbänden in schwerwiegendster Form die Menschenrechte verletzt – Hunderttausende wurden aus ihren Häusern vertrieben, eine unbekannte Zahl von Menschen wurde getötet. Seit dem Beginn der Nato-Luftangriffe haben sich diese Verbrechen noch auf dramatische Weise verstärkt. Doch anders als vor Beginn des Krieges gibt es keine unabhängigen Augenzeugen mehr. Die Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die im Auftrag der Vereinten Nationen seit Oktober 1998 mit 1.400 Mitarbeitern im Kosovo stationiert war, wurde am 20. März abgezogen, als die Luftangriffe der Nato unmittelbar bevorstanden. Doch die OSZE-Beobachter setzten ihre Arbeit in Makedonien und Albanien fort und stellen gegenwärtig weiter Berichte über die Menschenrechtssituation zusammen. Diese werden alle zwei Wochen den Regierungen der 53 OSZE-Mitgliedstaaten übergeben, bislang allerdings nicht veröffentlicht. Wie ein OSZE-Sprecher der taz erläuterte, geschieht dies deshalb nicht, weil die Berichte sich auf Schilderungen von Zeugen sowie auf Berichte anderer Medien und Organisationen stützt, die im einzelnen für die OSZE selbst nicht überprüfbar sind. Doch nach mehreren hundert Interviews mit Flüchtlingen in Albanien, die die OSZE-Beobachter nach Beginn des Krieges führten, stellt sich ein klares Bild der serbischen Vertreibungs- und Völkermordpolitik her:

„Die Lage im Kosovo ist von extremer Gewalttätigkeit und Brutalität gezeichnet, Menschenrechte gelten wenig. Flüchtlinge werden von serbischen und jugoslawischen Kräften mit unterschiedsloser, gewalttätiger Härte aus ihren Häusern vertrieben. Viele der Vertriebenen berichteten über Massenmorde, außergesetzliche Tötungen sowie Plünderungen und die Zerstörung ihres Besitzes. Flüchtlinge berichten, daß sie aus ihren Häusern vertrieben und als 'menschliche Schutzschilde‘ in der Umgebung militärischer Einrichtungen festgehalten wurden“, schreiben die OSZE-Beobachter.

Die taz veröffentlicht hier die wesentlichen Passagen des Berichts der OSZE-„Kosovo Verification Mission“ (KVM) in Tirana für den Zeitraum vom 2. bis 15. April. Für die Übersetzung des englischsprachigen Originals danken wir der Heinrich-Böll-Stiftung.

Zusätzlich dokumentieren wir die Aussagen von einigen der 1.537 Flüchtlinge, die von der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ im Lager Rozaje in Montenegro befragt wurden. Diese Aussagen wurden vergangene Woche von der Organisation in Bonn veröffentlicht (Kontakt: 02 28-55 95 00, die englische und französische Fassung findet man im Internet unter

http://www.msf.org/projects/yugoslavia/kosovo/index.htm) „Das wichtigste Ergebnis dieser Studie lautet, daß annähernd die Hälfte der Befragten ihre Heimat zwangsweise aufgrund von unmittelbarer, persönlicher Bedrohung verlassen haben“, heißt es darin. „Fast 46 Prozent der Kosovaren kamen ohne Ausweispapiere in Montenegro an.“

„Ärzte ohne Grenzen“ schließen aus den gesammelten Aussagen, daß „die Vertreibungen Bestandteil einer systematischen Politik sind, die im voraus geplant war“ und ist der Überzeugung, daß „die begangenen Taten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen“.