Schröders Gang nach Canossa

■ Reise des Kanzlers nach China auf einen Tag verkürzt

Peking/Berlin (dpa/taz) – Die heute beginnende China-Reise von Bundeskanzler Gerhard Schröder ist als Folge des Nato-Angriffs auf die chinesische Botschaft in Belgrad auf einen Arbeitsbesuch herabgestuft worden. Zudem wurde sie von vier Tagen auf einen Tag verkürzt. Dies geschah laut Auswärtigem Amt in Absprache mit Peking. Abgesagt wurden der Besuch in Shanghai, die Reise einer Wirtschaftsdelegation sowie der EU-China-Gipfel, an dem Schröder als EU-Ratspräsident teilnehmen wollte. Auch eine Diskussion des Kanzlers mit Studenten der Pekinger Eliteuniversität Qinhua fällt aus. Zwischenzeitlich soll sogar die Absage der gesamten Reise erwogen worden sein.

Das Thema des Besuchs wird jetzt der Kosovo-Konflikt sein. Schröder will versuchen, Chinas Führung trotz der Bombardierung ihrer Belgrader Botschaft für eine Lösung des Konflikts im Weltsicherheitsrat zu gewinnen. Chinas Staatspräsident Jiang Zemin fordert jedoch zunächst ein Ende der Luftangriffe. Vorher könne der Sicherheitsrat nicht über eine Lösung des Kosovo-Konflikts diskutieren.

China verlangte gestern eine formelle Entschuldigung für den Angriff auf die Botschaft, eine „umfassende Untersuchung“ sowie eine „harte Bestrafung“ der Täter. Das Außenministerium kündigte die Einschränkung der Beziehungen zu den USA an. Hochrangige Militärkontakte, der Menschenrechtsdialog sowie die Konsultationen über die Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen würden ausgesetzt.

Gestern dauerten in China die landesweiten Demonstrationen vor den Vertretungen von Nato-Staaten an, flachten aber etwas ab. Studenten und Mitglieder von Arbeitseinheiten kamen wieder in Bussen angefahren und zogen in Gruppen an den Botschaften vorbei. Mit Duldung der Polizei flogen wieder Steine. Chinas Medien haben bisher nicht gemeldet, daß sich die Nato und westliche Staatschefs für dieBombardierung entschuldigt hatten.

Nach Informationen von dpa hat Chinas Regierung inzwischen das Ende der Proteste angeordnet. Die Arbeitseinheiten hätten entsprechende Anweisung erhalten. Zur Begründung habe es geheißen, die Proteste könnten außer Kontrolle geraten. Der Westen würde nur zu gerne sehen, wenn China destabilisiert würde. Noch gestern abend wollte Schröder in Bonn mit Nato-Generalsekretär Solana zusammentreffen. Aus Regierungkreisen hieß es, Schröder verlange eine Untersuchung des Angriffs auf die chinesische Botschaft, da die bisherigen Darlegungen nicht hinreichend seien. han