Auf dem Markt der Liebe

■ Polygamie zur Verlängerung des Lebens: Heiner Müllers „Quartett“ hatte im Theater in der Basilika Premiere

Nach dem Jungsein, inklusive Schönheit und Unschuld, lechzt der Mensch. Besonders der alte. Das dräuende Lebensende, der unvermeidbare Abstieg in die Familiengruft oder in die Urne auf dem Kaminsims werden hinweggeliebt und vermeintlich aufgeschoben durch das Suhlen zwischen den Laken.

Polygamie zur Verlängerung des Lebens ist das Mittel der Marquise de Merteuil und ihrem ehemals Geliebten Vicomte de Valmont in Heiner Müllers Drama Quartett. Das an den Briefroman Les liaisons dangereuses von Choderlos de Laclos angelehnte Stück wird derzeit im Theater der Basilika aufgeführt. Die beiden Charaktäre, gespielt von Anne Moll und Thomas B. Hoffmann, gehören beide zu den älteren Modellen auf dem Markt der Liebe. Das meiste auf diesem Areal haben sie gesehen, abgemessen und erobert. Indes gibt es kein Entrinnen aus dem Spiel, an dessen Ende doch wieder nur der Tod wartet. So nimmt es nicht wunder, daß sich die Wut aufs Schicksal mit höhnischem Zynismus paart. Überlebenswille und die Erniedrigung des anderen sind es, die das verbale Vernichtungsfeuer zwischen Merteuil und Valmont entfachen.

In der Inszenierung von Falk Hoquél brilliert Moll mit dem Lancieren ironischer Hiebe unter die mit Leder bekleidete Gürtellinie ihres Gegenspielers. Sie steht der boshaften Glenn Close in der Verfilmung des Briefromans von Milos Forman in nichts nach. Ihrem Äußeren ist indessen anzusehen, daß es seit Äonen keine Kampfpause mehr gab: Vergammelte Strapse lugen unter dem kläglichen Überrest eines Kostüms hervor, stillos dazu ein viel zu großes Jacket aus der Altkleidersammlung und ein lahmes Bein. Hoffmann erscheint in ähnlich abgehalftertem Zustand. Beide Gesichter zieren Clownfratzen, die das Prinzip vom Leben als Show illustrieren, die immer weiter gehen muß.

Und es gibt kein Erbarmen. Ränke zu schmieden ist das wahre Hobby der Merteuil. Valmont steht ihr in nichts nach und befolgt bereitwillig und eitel ihre Anstiftereien. Die Verführungen setzen die Marquise und ihr schürzenjagendes Gegenüber allerdings selbst in Szene. Damit sind die verräterischen Spielchen, auf die sich die Feinde einlassen, lediglich virtuell. Bei der Vermischung von Realem und Möglichem ist es die Beliebigkeit, die offen zutage tritt.

„Sie können sich aus meinem Blut eine neue Fratze schminken“, lautet eine Aufforderung. Schlachten um des Schlachtens willen – und kein Preis ist zu hoch. Das mit schwarzem Humor gespickte Stück offeriert nur eine Sicht auf den Kampf um die Macht – weniger beklemmend ist es dadurch nicht.

Liv Heidbüchel