Grüne: „Tiefe innere Zerreißprobe“

■ Acht grüne Delegierte aus Bremen reisen am Donnerstag zur Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen. Im Koffer: Widersprüche

Acht Delegierte der Bremer Grünen fahren am Donnerstag nach Bielefeld zur Bundesdelegiertenkonferenz ihrer Partei. Das zentrale Thema dort: der Kosovo-Krieg. Daran droht die Partei zu zerreißen, die Koalition mit Schröders SPD zu platzen. Demgemäß haben die acht aus Bremen – Klaus Möhle, Ute Treptow, Arendt Hindriksen, Ralf Knarvek, Karin Krusche, Thomas Berger, Reinhard Dietrich und Spitzenkandidatin Helga Trüpel – einen Antrag mehrerer Mitglieder und zugleich die Entschließung der Landesmitgliederversammlung im Gepäck, die sich in einigen Punkten widersprechen.

Die Entschließung wurde am 19. April von der Landesmitgliederversammlung mit 41 Ja- gegen 24 Nein-Stimmen bei vier Enthaltungen abgesegnet. Den zweiten Antrag haben jetzt aktuell noch mehrere Mitglieder rund um den Bürgerschaftsabgeordneten Helmut Zachau auf den Weg gebracht. „Unterschrieben wurde der inzwischen auch von mehr als 40 Leuten“, sagt Grünen-Sprecherin Dagmar Bleiker.

In der Entschließung der Landesmitgliederversammlung wird die serbische Regierung für den Krieg verantwortlich gemacht. Dennoch hält es die Mitgliederversammlung für „“raglich“, ob sich die NATO-Selbstmandatierung trägt. Darum fordern die Grünen in der Entschließung „eine Reform des Sicherheitsrates“.

Eine sofortige und bedingungslose Einstellung der NATO-Luftangriffe sieht die Entschließung dagegen nicht vor. „Eine solche Entscheidung würde nur das serbische Kriegsregime stärken“, heißt es. Erst wenn die serbischen Truppen ihre Kampfhandlungen einstellen und mit dem überprüfbaren Abzug aus dem Kosovo beginnen, „sollen die Luftangriffe zunächst für 24 Stunden ausgesetzt werden. Solange der Abzug zügig fortgesetzt wird, wird das Moratorium verlängert..“ Anschließend soll eine von der UNO mandatierte Friedenstruppe im Kosovo als Garant für einen friedlichen Wiederaufbau einstehen. Den Einsatz von Bodentruppen ohne völkerrechtliches Mandat lehnt die Landesmitgliederversammlung ab.

Anders heißt es dagegen in dem aktuellen Antrag. Dessen InitiatorInnen: Björn Fecker, Arendt Hindriksen, Klaus Möhle, Anja Stahmann, Ralf Knarvek, Ute Treptow, Lisa Wargalla und Helmut Zachau – also mehrere Bundesdelegierte. Sie fordern den sofortigen „Einstieg in den Ausstieg aus der militärischen Logik“. Mit jeder NATO-Bombe würde das spätere Zusammenleben der Völker auf dem Balkan unmöglich gemacht. Die serbische Opposition sei inzwischen fast neutralisiert. Daher die klaren Forderungen in dem Antrag: „Sofortige bedingungslose Unterbrechung der Luftangriffe der NATO für mindestens 48 Stunden, um den Einstieg in eine diplomatische Lösung und die Versorgung der Flüchtlinge im Kosovo mit Hilfsgütern zu erreichen.“ Und: „Ablehnung des Einsatzes von NATO-Bodentruppen außerhalb von UNO-Mandaten zur Friedenssicherung.“

In Bremen scheint sich für diesen Antrag inzwischen eine klare Mehrheit abzuzeichnen. Spätestens seit den vermehrten Bombeneinschlä-gen in zivilen Einrichtungen kippt die Stimmung. Daher eine Erklärung des Landesvorstandes, unterzeichnet von Hucky Heck und Kathrin Kummerow, in der ebenfalls eine diplomatische Offensive und der sofortige Bomenstopp gefordert wird. Während dieser Feuerpause soll vor allem humanitäre Hilfe für die im Kosovo verbliebenen Menschen geleistet werden.

Ob und wie sich die Bundesdeligierten in Bielefeld zusammenraufen, hängt in erster Linie davon ab, ob letztlich die Regierungsbeteiligung oder der sofortige Bombenstopp im Fordergrund stehen. Tatsache bleibt, was der Bremer Landesvorstand formuliert: „Der Krieg um das Kosovo stellt für die Partei Bündnis 90/Die Grünen und auch für jedes einzelne Mitglied seit Wochen eine tiefe innere Zerreißprobe dar.“ Jens Tittmann