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„Ein Parteiaustritt bringt nichts“

■  Die Berliner Grünen rechnen nicht damit, daß es nach dem grünen Sonderparteitag zum Kosovo-Krieg viele Austritte gibt. Selbst entschiedene Kriegsgegner wollen bleiben

So groß war der Andrang schon lange nicht mehr: Zu den 78 Berliner Delegierten, die an Himmelfahrt zum grünen Sonderparteitag nach Bielefeld fahren, gesellen sich nochmals so viele Parteimitglieder, die als BeobachterInnen dabeisein wollen. Von den 850 Parteitagsdelegierten stellt Berlin ein knappes Zehntel.

Eine Prognose über den Ausgang des Parteitags zum Kosovo-Krieg wagt derzeit niemand. Auch das Abstimmungsverhalten der Berliner Delegierten ist schwer abzuschätzen. Sie werden von ihren Kreisverbänden und Facharbeitsgruppen entsandt und sollen „die Grundrichtung“ ihres Kreisverbandes vertreten, haben aber einen Ermessensspielraum. Das Unbehagen über die Nato-Bombardierungen hat auch in Realo-Kreisverbänden zugenommen. Ein Antrag des Landesvorstandes für ein befristetes Aussetzen der Luftangriffe hatte in der vergangenen Woche nur eine knappe Mehrheit erhalten. Die Befürworter eines endgültigen Stopps haben mit der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad ein weiteres Argument erhalten.

Im Berliner Landesverband werden Austritte in größerem Umfang dennoch nicht erwartet. „Wer wegen des Kosovo-Kriegs austreten wollte, hat dies bereits getan“, sagte Landesvorstandssprecher Andreas Schulze gestern. Seit Beginn der Nato-Angriffe am 24. März haben rund 40 Mitglieder die Partei verlassen. Darunter sind viele langjährige Mitglieder, die aber bis auf wenige Ausnahmen keine Funktionen in der Partei bekleideten. Im selben Zeitraum haben die Grünen aber auch 90 Eintritte verzeichnet. „Seit September gehen pro Woche zehn bis zwanzig Eintrittserklärungen ein“, sagte Schatzmeister Werner Hirschmüller. Auch der Abgeordnete Burkhard Müller-Schoenau rechnet nicht mit nennenswerten Austritten. Dies hänge aber davon ab, daß der Parteitagsbeschluß breit getragen werde. „Daran wird gearbeitet.“

Viel hängt von der Rede des grünen Außenministers Joschka Fischer ab, sagte die Abgeordnete Regina Schmidt. Er dürfe nicht zu konfrontativ auftreten. „Es gibt ein artiges Mittelfeld“, sagte Schmidt. „Das muß die Parteiführung gewinnen.“ Sie kenne vereinzelte Mitglieder, die sich mit dem Gedanken tragen, auszutreten. „Man muß mit ihnen reden“, sagte sie.

Selbst ein entschiedener Kriegsgegner wie Frank Koslowski, dessen Spandauer Bezirksgruppe in einem Antrag den Rücktritt von Außenminister Fischer fordert, hält nichts von einem Parteiaustritt: „Das bringt nichts.“ Alle früheren Abspaltungen von den Grünen seien als kleine Randgruppe wirkungslos geblieben oder hätten sich in alle Winde zerstreut. „Das kann es nicht sein.“ Vielmehr sei es notwendig, „die Leute in die Partei hineinzuziehen, um andere Mehrheiten durchzusetzen.“ Der Spandauer Antrag gilt im übrigen als chancenlos. Dorothee Winden

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