Wadenbeinbruch durch Polizistentritt

■ Beim Ermittlungsausschuß melden sich weitere Opfer von Polizeiübergriffen am 1. Mai

Die Straßenschlacht ist zu Ende, die juristischen Auseinandersetzungen gehen jetzt erst richtig los. Die Übergriffe der Polizei bei der 1.-Mai-Demonstration rund um das Kottbusser Tor hatten schon sieben Anzeigen zur Folge. Am Dienstag abend holten sich dreißig weitere Demonstranten Rechtsberatung beim „Ermittlungsausschuß“ (EA), weil sie Strafanzeige erstatten oder Schmerzensgeld erhalten wollen. Letzteres hofft vor allem eine junge Frau, die wegen ihrer Verletzungen bei der Demo immer noch im Krankenhaus liegt. An der Ecke Spremberger/Bürkner Straße seien sie von Polizisten absichtlich umgerannt worden, erzählte ihr Freund Roland B. Als sie schon am Boden lagen, sei ein Polizist in vollem Lauf auf seine Freudin getreten. Die Folge: ein offener Schien- und Wadenbeinbruch. Die Frau mußte zweimal operiert werden. In der Zeit, in der er einen Krankenwagen gerufen habe, berichtete Roland B., habe sich eine Passantin um seine Freundin gekümmert. Anschließend habe er diese Frau aber in der Menge verloren. Die Verletzte hofft jetzt, daß sich diese Frau als Zeugin meldet.

Auch ein 20jähriger Demonstrant sucht verzweifelt einen Zeugen, in diesem Fall einen Fotografen. Er habe gegen 23.30 Uhr in der Adalbertstraße einen Fotografen um ein Foto gebeten. Während er noch in seiner Jacke nach einem Stift gesucht habe, um dem Mann seine Adresse aufzuschreiben, hätten ihn fünf Polizisten umstellt und auf den Boden geworfen. Er wurde verdächtigt, ein Feuerzeug für einen Böller gesucht zu haben. Zu dem Zeitpunkt seien mehrere Feuerwerkskörper geworfen worden, berichtete er. Nach mehreren Fragen der Polizisten hätten Umstehende behauptet, er habe einen Böller geschmissen. Jetzt hat der 20jährige eine Anzeige am Hals, die ihm im schlimmsten Fall zehn Monate Haft einbringen könne. Der Demonstrant hofft daher, den Fotografen zu finden.

Bisher vergebens hat der EA nach der Frau gesucht, die von einem Polizisten so sehr auf den Kopf geschlagen wurde, daß dessen Schlagstock zerbrach. Weder sie noch Zeugen haben sich bislang gemeldet. Gegen den Polizisten liegen zwei Anzeigen vor.

Der EA will jetzt alle Aussagen sammeln und Einzel- oder auch Sammelklagen auf den Weg bringen. Mehrere Rechtsanwälte sind dabei behilflich. Alle Angaben werden vertraulich behandelt. Jutta Wagemann ‚/B‘Opfer und Zeugen von Polizeiübergriffen können sich beim EA unter Tel. 6 92 22 22 melden