Laxe Prüfung, strenges Urteil

■  Erstmals wurden Absolventen an der Hochschule der Künste ernsthaft „geprüft“. Doch die Professoren wußten nicht, wie man das macht. Jetzt entschied das Verwaltungsgericht: Die Prüflinge dürfen das Examen wiederholen

Wenn Professoren eine Prüfung bewerten wollen, müssen sie die Leistungen der Kandidaten zumindest zur Kenntnis nehmen. Diese banale Lektion erteilte die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts am Mittwoch den Dozenten der Hochschule der Künste (HdK). Die Richter gaben vier Studierenden recht, denen die HdK bei der Absolventenprüfung die Aufnahme in eine Meisterklasse verwehrt hatte. Das teilte deren Anwalt Hans-Peter Vierhaus gestern auf Anfrage mit.

Bisher hatte niemand an der laxen Prüfungspraxis so prominenter Professoren wie des Malers Georg Baselitz Anstoß genommen. Schließlich bekam jeder Kandidat ungeachtet seiner Leistungen bescheinigt, er habe das Examen „mit besonderem künstlerischen Erfolg bestanden“ – die Voraussetzung, um ein weiteres Jahr als persönlicher Zögling einer Koryphäe an der HdK verweilen zu dürfen. Im vergangenen Jahr aber schrieben die Prüfer bei 7 von 28 Kandidaten erstmals ein bloßes „bestanden“ ins Abschlußzeugnis – ohne Vorwarnung, wie die Betroffenen beteuern. Bei den vier Klägern muß die Prüfung nun wiederholt werden.

Der neuen Praxis lag offenbar eine Anweisung von höchster Stelle zugrunde. Jedenfalls erklärte die persönliche Referentin des HdK-Präsidenten damals, von der „laxen Praxis“ bei den Prüfungen müsse sich die Hochschule angesichts des „hochschulpolitischen Klimas“ verabschieden. Wie sich vor Gericht herausstellte, hatte die Prüfungskommission über die Noten nicht nur einmal, sondern dreimal abgestimmt: so lange, bis die gewünschte Quote prädikatsloser Absolventen erreicht war – eine „sachfremde Erwägung“, so Vierhaus.

Zumindest hätten sich auch die Professoren selbst von ihren laxen Gepflogenheiten verabschieden müssen, um über die Studierenden streng urteilen zu dürfen. Doch sie nahmen sich auch weiterhin nicht mehr als fünf Minuten Zeit pro Prüfling – zuwenig, um ein eingereichtes Video von einer Viertelstunde Länge zu begutachten.

Für die Videos interessierte sich der Prüfungsausschuß schon deshalb nicht sonderlich, weil er ausnahmslos aus traditionellen Malern bestand, deren Begeisterung für Mulitmediakunst sich in engen Grenzen hält. So soll Großmeister Baselitz während der Präsentation angeregt mit Kollegen geplaudert haben. Auch mit dem Kolloquium, das die Prüfungsordnung vorsieht, nahmen es die Professoren nicht so genau: Bei einer der KandidatInnen, einer schwarzen Deutschen, beschränkte sich das Interesse auf eine Nachfrage zu ihrer Hautfarbe.

HdK-Präsident Lothar Romain, der gestern nicht zu erreichen war, hatte bereits im Vorfeld „Überlegungen für die Zukunft“ der Absolventenprüfung angestellt. Auch künftig müssen sich die Prüfer aber nicht überarbeiten: Es gebe Pläne, so der HdK-Justitiar vor Gericht, die Länge der Video-Arbeiten auf fünf Minuten zu begrenzen. Ralph Bollmann