Berichte von Belgrads Gnaden

Der Jugoslawien-Korrespondent von Sat.1, Pit Schnitzler, ist frei. Doch für Journalisten verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen im Kriegsgebiet weiter    ■ Von Eberhard Spohd

Über drei Wochen saß Pit Schnitzler in Jugoslawien im Gefängnis, bevor er am Dienstag abend freigelassen wurde. Dem Korrespondenten von Sat.1 wurde vorgeworfen, ein Spion der Nato zu sein.

„Mit meiner Freilassung habe ich überhaupt nicht gerechnet“, meldete sich der 56jährige am Mittwoch telefonisch im „Frühstücksfernsehen“ des Privatsenders. Zwar hat er nach eigenen Angaben „einige Kilo verloren“, fühle sich aber „gut beieinander“. Zusammen mit Schnitzler wurde auch der Frankfurter Student Bodo Werner auf freien Fuß gesetzt, der ebenfalls mehrere Wochen wegen Spionageverdachts festgehalten worden war.

Schnitzler hatte schon lange vor seiner Festnahme Probleme, seine Beiträge aus Belgrad abzusetzen: Am 8. April wurde in der Hotelgarage des Interconti von neun bewaffneten Militäpolizisten und vier Zivilbeamten sein Auto, sein Handy und das komplette technische Equipment konfisziert. Als er sich nach Gründen für die Maßnahme erkundigte, wurde ihm gedroht: „Sie fragen zuviel. Wer zuviel fragt, kommt ins Militärgefängnis.“ Schnitzler, der seit 1985 für Sat.1 aus Jugoslawien berichtet, konnte bis zu seiner Festnahme weiterarbeiten, indem er seine Beiträge über das serbische Fernsehen absetzte. „Ihm ging allerdings das Geld aus“, berichtet Frieder Weiß, der stellvertretende Nachrichtenchef von Sat.1, „weil die für jede Überspielung 5.000 Mark in bar haben wollten.“ Und Geld nach Jugoslawien zu transferieren, gestaltet sich zur Zeit äußerst schwierig.

Fragwürdig ist für viele Korrespondenten auch, was sie überhaupt noch mitteilen sollen. „Die einzigen Nachrichten von draußen erhält man, wenn man in einem der beiden Hotels für Journalisten, dem Hyatt und dem Interconti, BBC hört und CNN sieht“, erzählt Friedrich Kurz vom ZDF. Der Redakteur des Politmagazins „Frontal“ war zusammen mit seinem Kollegen Josip Soldo für einen Monat in Belgrad. „Nur in einem kleinen Teil der Belgrader Innenstadt darf frei gefilmt werden.“ Weitere Reisen durch das Land sind nur mit den Militärs möglich, die den Informationsdienst „aus Sicherheitsgründen“ übernommen haben.

Das Militär stellt Eskorten zusammen, die die Reporter zu bestimmten Orten bringen. Den Journalisten wird nur gezeigt, was zur staatlichen Propaganda paßt. „Unterwegs kann man zwar versuchen, die Gegend, durch die man kommt, genau zu beobachten“, erzählt der inzwischen ausgewiesene Korrespondent derFrankfurter Rundschau, Stephan Israel, „man kann aber nicht seriös darüber berichten. Wenn ich leere Häuser sehe, dann kann ich nicht unterscheiden, ob die Bewohner sich verstekken oder vertrieben wurden.“ Auf diesem Wege beherrschen die Jugoslawen auch die internationale Nachrichtenlage. „CNN übernimmt sogar die Bilder der Serben. Die Nato antwortet darauf oft erst am nächsten Tag“, erklärt Kurz die paradoxe Situation. Erschwerend kommt hinzu, daß alle Überspielungen einer als „technische Abnahme“ verbrämten Vorzensur unterzogen werden müssen, bevor sie abgesetzt werden können.

Das nach der Verhaftung zweitschärfste Mittel, gegen Journalisten vorzugehen, ist deren Ausweisung. Die Zahl der zur Zeit noch etwa 50 ausländischen Korrespondenten schwindet. Dabei geben sich die zuständigen Stellen bei Militär und Polizei nicht die Blöße, auf die Berichterstattung der Journalisten einzuwirken, sondern man schiebt sie einfach sofort ab.

„Es ist ganz einfach, die Leute loszuwerden“, berichtet taz-Korrespondent Andrej Ivanji, „man schafft einfach eine neue Akkreditierung, die nicht alle Journalisten bekommen. Und ohne Arbeitsgenehmigung läuft auch die Aufenthaltsgenehmigung aus.“

Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen wurden im ersten Kriegsmonat rund 50 Pressevertreter festgenommen. Am längsten von ihnen saß Pit Schnitzler. Nun ist er wieder frei – angeblich auf höchste Veranlassung: Während seines Transports an die serbisch-kroatische Grenze wurde ihm ausdrücklich gesagt, daß Slobodan Miloevic persönlich über seine Freilassung entschieden habe.