„Die GAL ist nicht mehr meine Partei“

Hamburgs Grünen droht nach dem Bielefelder Beschluß die Spaltung. Viele Parteiaustritte angekündigt. Mindestens fünf linke Abgeordnete planen eigene Fraktion in der Bürgerschaft  ■ Von Sven-Michael Veit

Hamburgs Grün-Alternative Liste (GAL) steht vor der Spaltung. Mindestens fünf Abgeordnete der Bürgerschaft wollen aus der Partei austreten und liebäugeln mit der Gründung einer eigenen Fraktion. Die stellvertretende Fraktionschefin Heike Sudmann sowie Norbert Hackbusch, Lutz Jobs, Julia Koppke und Susanne Uhl erklärten nach der Bielefelder Bundesdelegiertenkonferenz (BDK): „Dies ist nicht mehr meine Partei.“ Zwei weitere Parlamentarierinnen könnten sich nach taz-Informationen diesem Schritt anschließen.

Die GAL-Fraktionsvorsitzende Antje Möller „bedauerte“ die Ankündigungen. Sie könne diese Schritte zwar „verstehen“, denn auch sie habe sich „ein anderes Ergebnis auf der BDK gewünscht“. Die GAL müsse aber mit dem Beschluß vom Donnerstag „jetzt umgehen“. Und für eine erfolgreiche Arbeit in der Hamburger rot-grünen Koalition „brauchen wir Euch alle“, so der Appell der linken Fraktionschefin an die AussteigerInnen.

Die Wandsbekerin Brigitte Ziehlke, die vor sechs Wochen aus Protest gegen den Nato-Krieg als Fraktionschefin in der Bezirksversammlung zurückgetreten war, kündigte gestern gegenüber der taz an, „definitiv in den nächsten Tagen“ ihr Parteibuch zurückzugeben; auch der Altonaer Fraktionschef Olaf Wuttke und der Eimsbüttler Kriegs-Gegner Ulrich Cremer sind „mit dieser Partei durch“. Eventuelle „persönliche Konsequenzen“ schlossen sie nicht aus.

Cremer war Autor eines pazifistischen Antrags, der den sofortigen und bedingungslosen Stopp des Nato-Krieges forderte. Auf der BDK war dieser Antrag bereits beim ersten Meinungsbild mit nur etwa 150 Stimmen aussortiert worden. „Das muß ich erst verdauen“, so Cremer. Er könne sich vorstellen, künftige politische Schwerpunkte „eher in außergrünen Zusammenhängen“ zu setzen, zum Beispiel in der „Organisation der Friedensbewegung“.

Offizielle Verlautbarungen über individuelle Schritte auch weiterer GAL-Mitglieder sind erst für Anfang nächster Woche zu erwarten. Gestern abend beriet ein Linken-Plenum erstmals über die Folgerungen aus Bielefeld, am Sonntag soll es fortgesetzt werden. Die meisten TeilnehmerInnen wollen diese Beratungen abwarten, bevor sie sich über ihre politische Zukunft äußern.

Die Gründung einer eigenen Fraktion wird unter den linken BürgerschaftlerInnen zwar favorisiert, für manche gibt es aber auch die Option, nach dem Vorbild des parteilosen Abgeordneten Manfred Mahr in der GAL-Fraktion zu bleiben. „Das ist abwegig“, kommentierte Parteivorstandssprecher Peter Schaar vom Realo-Flügel: „Wer die Gemeinsamkeiten mit der Partei aufkündigt, kann nicht in der Fraktion bleiben.“

Für Jobs, Koppke und Sudmann steht im Vordergrund die Suche nach einem „effektiven Weg, weiterhin konsequente Politik zu machen“. Hackbusch und Uhl hingegen erklären „das Projekt grüne Partei für tot“. Die Absegnung des „Kriegskurses der rot-grünen Bundesregierung“ ist für Susanne Uhl „nur das letzte, wenn auch schwerwiegendste“ Beispiel für die „neoliberalen Tendenzen“ der Grünen im Bund: „Ähnliche Entwicklungen gibt es ja schon länger in der Sozial- und in der Wirtschaftspolitik“, so Uhl. Den Weg hin zu einer „mattgrünen FDP“ werde „ich nicht mitgehen“.

Spaltungen drohen auch in mehreren Bezirken. Brigitte Ziehlke kündigte an, daß bald mit „einer Erklärung“ ihres Kreisverbandes Wandsbek zu rechnen sei; das gleiche gilt für Bergedorf. Dort wird am Dienstag abend auf einer Mitgliederversammlung „das Bielefelder Ergebnis untersucht werden“, kündigte Lutz Jobs an. Bergedorfs GALierInnen hatten bereits vor Wochen angekündigt, sich „nach einer neuen politischen Heimat umzusehen“, falls in Bielefeld keine dezidiert pazifistische Position beschlossen würde.

Die linke GAL-Parteisprecherin Kordula Leites forderte gestern dazu auf, „in der Partei zu bleiben“. Pazifistische Positionen“ hätten trotz des „auch für mich persönlich enttäuschenden Bielefelder Beschlusses nur in der grünen Partei weiterhin eine Stimme“. Allerdings müsse „die Kernfrage“, wie in Zukunft linke Politik zu machen sei, „jeder für sich selbst bewerten“. Sie hoffe darauf, so Leites, daß gemeinsam mit denen, die aus der GAL austreten wollten, „neue Strukturen ohne Bruch“ gefunden werden könnten.