Grüne wollen „Notbremse ziehen“

■ Schulden & Schattenschulden bedrohen Bremen / Kassensturz nach der Wahl: Unrentable Großprojekte streichen

„Jede Kommune baut, wenn die Eingemeindung droht, noch schnell ein Hallenbad“, mit diesem Bild verglich die grüne Fraktionssprecherin Karoline Linnert gestern die Bremer Finanzpolitik: „Diese Politik ist auf die Auflösung des Bundeslandes angelegt.“ Nie seit 1945 war Bremens finanzpolitische Situation schlechter als heute, stellten die Grünen fest: Trotz der 1,7 Milliarden Mark außerordentlicher Einnahmen aus Vermögensveräußerungen sind die in Schattenhaushalten versteckten Schulden von 921 Millionen auf 2,2 Milliarden Mark angestiegen in den vier Jahren der Großen Koalition, der Gesamtschuldenstand hat sich demnach erhöht, obwohl auch die neun Milliarden Sanierungshilfe zur Verfügung standen und verbraucht wurden.

„Finanzsenator Hartmut Perschau redet davon, die Koalition habe eisern gespart – was meint er damit?“ sagt der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Dieter Mützelburg. In den fünf Sanierungsjahren 1994-1998 ist die Differenz zwischen den bremischen Steuer-Einnahmen und konsumtiven Ausgaben im Staatsetat nicht geringer geworden, sie lag im Durchschnitt bei minus 1,2 Milliarden Mark. Auch wenn man die (langsam steigenden) Investitionen ganz außer acht läßt, ist also die Unterdeckung, der jährliche „Verlust“ nicht geringer geworden.

Mehr Dichtung als Wahrheit seien derweil die offiziell vorgelegten Zahlen über den wahren Schuldenstand, kritisieren die Grünen. Nicht einmal der Haushaltsausschuß sei genau informiert über die Schulden, die bei den staatlichen Gesellschaften in privater Rechtsform angelaufen sind. Inzwischen würden sogar für die Deckung laufender konsumtiver Ausgaben Schulden außerhalb des Haushalts aufgenommen, für die die auf Jahre eine „Tilgung: Null“ eingeplant werde. Die Schuldensumme von 114 Millionen Mark „koste“ so allein bis zum Jahre 2004 insgesamt 34 Millionen an auflaufenden Zinsen; das sind am Ende der „Sanierung“ 148 Millionen Schulden mehr.

Andere Schulden außerhalb des Haushaltes würden schlicht gestreckt: Für das Container-Terminal III war die Finanzierung außerhalb des Haushaltes bis zum Jahre 2005 vorgesehen gewesen. Der Senat hatte den Zeitraum mit einem Federstrich bis zum Jahre 2012 ausgedehnt – auch das wirkt sich optisch positiv aus, weil es kurzfristig „spart“, langfristig erhöht sich aber die Negativ-Rechnung. Die 190 Millionen Mark für das „Containerterminal IIIa“ sollen auch nicht im Haushalt auftauchen, bis zum Jahre 2042 soll die Rückzahlung gestreckt werden. Die bis dahin gezahlten Zinsen (264 Millionen) übersteigen die Kosten des CT IIIa erheblich.

„Ein weiter so kann Bremen sich nicht leisten“, sagt deshalb Dieter Mützelburg. „Die Grünen wollen die Notbremse ziehen.“ Das bedeutet: Für die Investitionsprojekte, die allesamt auf Pump finanziert werden, sollen Wirtschaftlichkeitsberechnungen stattfinden.

Denn wenn Investitionen sich nicht „rechnen“, kosten sie nur zusätzliche Zinsen. Für die Daewoo-Umsiedlung aus Bremerhaven nach Vegesack sollen 86 Millionen ausgegeben werden – „rechnet sich das?“ Umzug des Großmarktes für weit mehr als 100 Millionen? „Es gibt keine ernsthafte Wirtschaftlichkeitsbe-rechnung für diese Investition“, kritisiert Mützelburg. Wenn die Grünen nach dem 6. Juni in die Landesregierung kommen, sollen auch die Georg-Bitter-Trasse, der Büropark Oberneuland, die Rennbahn-Investition und der Ausbau des Ihlpohler Kreisels gestrichen werden. Mit dem gesparten Geld soll getilgt werden.

Derzeit schüttelten auch wohlmeinende Finanzpolitiker aus Bonn den Kopf, wenn sie die Bremer Sanierungs-Perspektive für das Jahr 2005 sähen. Nur wenn Bremen seriöse Anstrengungen zur Haushaltssanierung vorzeigen könne, gebe es eine Chance, in der neuen Länderfinanzverteilung ab dem Jahre 2005 eine Besserstellung der Stadtstaaten und Bremens zu erreichen. K.W.