Tradition der Widerborstigkeit

■ Bücher zu Bayern – gegen tümelnde Traditionspflege und Heimatkitsch

94234 Viechtach, Postackerweg 10 – so eine Verlagsadresse kann man nur zum Programm erheben: Hubert Ettls edition lichtung bringt Bücher über Bayern heraus. Aber seine Bücher sind jenseits von Heimatkitsch und Bayernverherrlichung. Sie sind anders. Und sie beschreiben auch ein anderes Bayern.

1987 gründeten Autoren und Kulturinteressierte aus dem Raum Viechtach, Kötzing und Cham den Verein Bayerwaldforum. Dieser Verein plante unter anderem „die Herausgabe einer kritischen Kulturzeitschrift für den Bayerischen Wald“ . Ende 1987 erschien dann die erste Ausgabe von „lichtung“, das „ostbayrische magazin lichtung“ erscheint seit 1996 vierteljährlich. Und schon ab 1989 werden Bücher zu Bayern verlegt.

Dabei stürmen auf das Verlagsprogramm feindliche Klischees aus zwei Lagern ein. Die einen denken beim Stichwort Bayern an die Leopoldstraßen-Schickis und Adabeis, die andern an Gamsbart, Hinterwäldler und Hackl Schorsch. Hubert Ettl, ein ehemaliger Lehrer, der sich nun nur noch seinem Verlag widmet, sieht sich eher in der altbayrischen Tradition der Widerborstigkeit, des Gegen-den-Strich-Bürstens. Und er nimmt damit die Heimat denen weg, die tümelnd die Traditionspflege gepachtet haben wollen, die das Bayrische für sich beanspruchen.

Richtig bekannt kann so ein Verlag natürlich kaum werden, trotz Zugpferden wie Siegfried Zimmerschied und Ottfried Fischer. Nichtsdestotrotz: Die Bücher und Magazine des Verlags sind heiß zu empfehlen. Egal ob man nun Bayern liebt oder haßt, kennt oder nicht kennt.

Im vergangenen Jahr kam Ettls Reiselesebuch „Niederbayern“ heraus. Bücher über Oberbayern glänzen gern, Niederbayern hingegen ist schlichter, anders. Oberbayern hat Touristen, Niederbayern Kabarettisten. Mit dem „lichtung“-Band hatte Niederbayern das Buch bekommen, das es verdient. Ein sperriges Ding, wenngleich von quadratischem Format. Nun hat Ettl sich in die Stadt gewagt. Dabei sollte man nicht glauben, die Hoheliedsänger der Provinz würden in dem München-Buch nur die Nase rümpfen über die Stadt und die Stodterer, wie man in Bayern sagt. So einfach machen sie es sich und dem Leser nicht.

Beispielhaft für die nicht nachlassende Liebe zur Landeshauptstadt steht der Eröffnungstext von Renate Just. Die Journalistin lebt auf dem Land, in ihrem Text beschreibt sie eine Fahrt nach München, mit all den Bildern, die vor den Augen vorbeiziehen und durch den Kopf gehen. Es ist nicht Ausdruck einer Haßliebe, sondern einer Liebe, die sich vielleicht abgenutzt hat und ermüdet ist, aber immer wiederauflodert. „Nach München also wieder mal; da zieht man sich in seinem Weiler weit draußen anständige Schuhe an und hofft, daß sich auf den paar Schritten zur Garage nicht gleich wieder die Scholle an den Absatz heftet (bis München dann hellgrau verkrustet, kennt man).“

Unvergleichlich komisch ist Gerhard Polts Text zur Gemütlichkeit. Und gemütlich ist Deutschland ja allemal, Bayern bekannterweise im besonderen. Im bairischen Duktus, in der verqueren Grammatik des Südens geschrieben, in ehrerbietiger Valentin-Nachfolge folgt ein Beitrag von Gerd Holzheimer. Aber natürlich gibt es auch den geschliffenen hochdeutschen Stil, dargebracht durch Carl Amery, Helmut Krausser und Maximilian Biller, letzterer auch vertreten mit einigen Lomofotos. Barbara Schaefer

Hubert Ettl, Bernhard Setzwein (Hrsg.): „München. Reise-Lesebuch“. 180 Seiten, 92 Sw.-Fotos, 39,80 DM

Bücher zum Weiterempfehlen, ob man Bayern nun liebt oder haßt, kennt oder nicht kennt