Ökolumne
: Zuwenig für zuviel

■ Solaranlagen trotz 100.000-Dächer-Programm zu teuer

Zum 1. Januar trat das „100.000-Dächer-Solarstrom-Programm“ in Kraft. Der Titel klingt stolz, denn bei der alten Bundesregierung hatte es nur für 1.000 Dächer gereicht. Nun blicken die verantwortlichen Politiker erwartungsvoll auf die Bewegungen am deutschen Solarmarkt.

Um sich Enttäuschungen zu ersparen, hätten sie die neuen Bundesländer besser gleich von der Förderung ausschließen sollen. In ihrer jetzigen Form geht das Dächer-Programm an deren Realität vorbei: Eine Einfamilienhausanlage bringt 2 kW Spitzenleistung und kostet 30.000 Mark. Das Förderprogramm will den Freunden der Sonnenenergie eine Brücke bauen, indem es eine zinslose Komplettfinanzierung anbietet – aber die Rückzahlung hat es in sich.

Die ersten zwei Jahre herrscht noch sonnige Tilgungsfreiheit, dann muß acht Jahre lang getilgt werden. Die letzte Rate wird erlassen, falls die Anlage noch immer in Betrieb ist. Läuft alles gut, lassen sich so gut 300 Mark an Stromkosten sparen. Die jährlichen Kosten während der Tilgungszeit sind nicht wesentlich unter 3.000 Mark zu drücken. Das Geld wird auch nicht vollständig wieder zurückfließen, weil die Lebensdauer der Anlage rund 20 Jahre beträgt. Dafür, daß die Bewohner über diese Zeit umweltfreundlichen Strom produzieren müssen sie alles in allem 20.000 Mark hervorzaubern. Einige wenige Bundesländer helfen mit zusätzlichen Fördermitteln, ein paar Stromversorger zahlen höhere Einspeisevergütung – die meisten Haushalte können darauf nicht zurückgreifen. Das Programm baut also eine prächtige Brücke ins Solarzeitalter, die mitten über dem Fluß aufhört. Trotzdem ans Ziel kommt nur, wer ein abbezahltes Haus und ein langfristig sicheres Einkommen besitzt. Ostdeutsche Solarfirmen sind mit der Lampe des Diogenes unterwegs und suchen diese Bevölkerungsgruppe vergeblich. Die rot-grüne Koalition hat den Anspruch, das Klima zu schützen und den Arbeitsmarkt zu fördern. Dieser Anspruch wird mit dem Programm nicht eingelöst. Dabei könnte die Regierung beim Solarstrom einem leistungsfähigen Wirtschaftszweig den Weg ebnen. Also: Nachbessern! Teile der Politik sind dafür offen. Sie benötigen die Unterstützung der Solarlobby. Was an öffentlichen Geldern wirklich einzuwerben ist, zeigt das Beispiel Brandenburg: Allein im Jahr 1998 erkämpfte die Wassertourismus-Lobby 130 Millionen Mark für Yachthäfen und Bootshäuser. Die Solarvereine konnte dort seit 1991 nur 11 Millionen Mark erstreiten. Sie müssen sich insgesamt organisatorisch stärken.

Das scheint schwer zu sein. Seit vielen Jahren erzielt die Branche unterdurchschnittliche Gewinne. Strom aus der Sonne hat vordergründig nicht einen Deut mehr Gebrauchswert als anderer Strom, der viel kostengünstiger ist. Solaranlagen sind also im Zweifel verzichtbar, was die Lieferfirma unter großen Preisdruck setzt. Zahlreiche Vertreter der Branche haben eine 70-Stunden-Woche, da der Beratungsaufwand für jeden einzelnen Kunden sehr hoch ist. In dieser Situation kann helfen, was Solarfirmen und Vereine immer wieder am Leben gehalten hat: Begeisterung für die Sache. Unter der rot-grünen Regierung besteht jetzt die Chance, den wirklichen Einstieg beim Solarstrom zu schaffen. Für die Vereine und Firmen gilt es, dafür zu streiten. Wenn die kleinen Solarfirmen nicht wachsen, werden sie bald von kapitalstarken Neueinsteigern vom Markt gefegt. Wird das Einstiegsziel im schlimmsten Fall nicht einmal längerfristig erreicht, droht die bunte Welt der Firmen mit ihrer Technikerfahrung und internationalen Kontakten zu verschwinden.

Bis jetzt ist das 100.000-Dächer-Programm mit 1 Milliarde Mark für sechs Jahre ausgestattet. Die nächsten Bonner Energiegespräche nach Ostern könnten die Kulisse für eine Demonstration für stabile günstige Bedingungen für erneuerbare Energieträger sein: Schön wäre eine Aufstokkung, entscheidend aber ist eine bessere Finanzierung: Lieber eine tragfähige Förderung für 50.000 Solaranlagen, als eine magere für 100.000, mit der sich am Ende doch kaum jemand eine Anlage kauft. Die Brücke muß über den Fluß reichen.

Das Beispiel Windkraft sollte das Vorbild sein. Ungeachtet der durchschnittlichen natürlichen Voraussetzungen haben wir es weltweit zum Windenergieland Nr.1 gebracht. Während der ersten Runde bei den Energiegesprächen hat die Atomindustrie Unterstützung durch 35.000 Demonstrationsteilnehmer erfahren. Mindestens ebensoviele sollten doch für die erneuerbaren Energien zu mobilisieren sein. Christof Huth