Zwangsarbeiter klagen an

Mit Forderungen in Milliardenhöhe setzen ehemalige KZ-Häftlinge deutsche Wirtschaft unter Druck. Regierung setzt auf Entschädigungsfonds  ■   Von Thorsten Denkler

Berlin (taz) – Innerhalb einer Woche haben in Deutschland und den USA drei verschiedene Gruppen von Holocaust-Opfern Sammelklagen gegen deutsche Firmen erhoben. Sie wollen Entschädigungen in Milliardenhöhe für Leiden, die sie während der NS-Zeit als Zwangsarbeiter ertragen mußten. Praktisch zeitgleich verhandelte Kanzleramtsminister Bodo Hombach (SPD) am Dienstag und Mittwoch in Washington mit Anwälten der Opfer und der amerikanischen Regierung über die Einrichtung eines Entschädigungsfonds. Dieser soll die deutsche Wirtschaft vor eben diesen Sammelklagen schützen.

Stellvertretend für 22.000 ehemalige polnische KZ-Häftlinge hat der Stadthagener Rechtsanwalt Dieter Wissgott gestern dem Landgericht Frankfurt 2.700 Klagen überreicht. Die Häftlinge seien zu Zwangsarbeiten herangezogen und mißhandelt worden. Daran trage die Dresdner Bank eine erhebliche Mitschuld, erklärte Wissgott. Sie sei die „dominierende SS-Finanzierungsbank in der Nazizeit“ gewesen. 5,4 Milliarden Mark wollen die Opfer als Entschädigung von der Bank haben.

Lange habe die Bank nicht auf Gesprächsangebote reagiert, sagte Wissgott. Dennoch habe er der Bank mitgeteilt, nicht die Tür zu einer außergerichtlichen Vereinbarung schließen zu wollen. Doch ihm sei nur gesagt worden, es wäre nicht einmal sicher, ob sie als Rechtsnachfolgerin der Dresdner Bank zur Nazizeit angesehen werden könne. Für Wissgott eine „nachträgliche Verhöhnung der Opfer“. Ein Dresdner-Bank-Sprecher stellte gegenüber der taz klar, sein Haus werde nichtsdestotrotz ihre „moralische Verantwortung“ übernehmen: Die Bank gehöre zu einem Zusammenschluß von 16 deutschen Großunternehmen, die den Entschädigungsfonds finanzieren wollen, über den Hombach in Washington verhandelte.

Schon am Mittwoch hatten ehemalige Zwangsarbeiter gegen verschiedene Stuttgarter Firmen Klage erhoben – darunter die Konzerne DaimlerChrysler, Porsche und Bosch. In den USA reichten Holocaust-Hinterbliebene bei einem Bezirksgericht in New Jersey Klage gegen 22 deutsche Unternehmen ein, unter anderem Hugo Boss, Beiersdorf und Hoechst.

Unterdessen ist Hombachs Versuch, eine Einigung mit den Vertretern der NS-Zwangsarbeiter zu erzielen, weitgehend fruchtlos geblieben. Als einziges Ergebnis konnte Hombach die Einsetzung einer Arbeitsgruppe bekanntgeben. Die soll innerhalb von 90 Tagen prüfen, wie Sammelklagen aus den USA vermieden und den deutschen Unternehmen damit Rechtssicherheit gegeben werden kann. Thorsten Denkler