Nachgefragt (siehe S. 21)
: „Keine Monster“

■ Wie lebt die kurdische Familie aus dem Kirchenasyl mit den Vorwürfen?

Seit November 1998 lebte die fünfköpfige kurdische Familie P. in Warsingsfehn/Ostfriesland im Kirchenasyl, das heute endet (siehe dazu Seite 21). Sie lebten in einem Zimmer und kochten in der Gemeindeküche. Die Auseinandersetzung um das Kirchenasyl spaltete die gesamte Jakobi-Gemeinde. Wir sprachen mit der kurdischen Familie, die bislang kein Journalist zu den Vorwürfen befragte.

taz: Wie geht es ihnen?

Frau P.: Wir gehen kaputt. Wenn ich in die Gemeindeküche gehe, grüßt mich niemand. Wir sind doch keine Monster.

Ihnen, Herr P., wird vorgeworfen, Frauen der Gemeinde, sexuell belästigt zu haben.

Herr P.: Ein Vorwurf lautet, ich sei einem Mädchen auf der Treppe hinterher gegangen und hätte ihr unter den Rock geguckt. Unser Zimmer liegt im ersten Stock, ich muß die Treppe benutzen. Das andere war eine gegenseitige Umarmung.

Frau P.: Die dritte Frau hat gesagt, mein Mann hätte sie vor Weihnachten angefaßt. Aber nach Weihnachten war die Frau zwei Stunden bei uns. Zum Abschied hat sie mich und meinen Mann wie üblich umarmt und sogar geküßt.

Hat der Staatsanwalt Ihren Mann schon vernommen?

Nein. Nur die Aussagen der Frauen liegen vor und sind an die Öffentlichkeit gelangt. Mit uns hat niemand gesprochen. Ein klärendes Gespräch hat Pastor Heins abgelehnt. Er besucht uns auch nicht mehr.

Herr P.: Der Pastor kam, kurz nachdem wir Asyl erhalten hatten, zu uns und sagte, das Kirchenasyl hätte keinen Sinn mehr, wir sollten freiwillig in die Türkei ausfliegen. Warum sind wir denn in Deutschland? Wir sind geflüchtet, weil wir in der Türkei bedroht worden sind. Türken haben meinen Bäckerladen kaputt gemacht. Wo sollen wir denn hin?

Zu wem haben Sie Kontakt?

Frau P.: Zu deutschen Freunden aus dem Unterstützerkreis der Gemeinde. Dann kommt der zweite Gemeindepastor mit seiner Frau und kurdische Freunde. Herr P., Sie sind schon einmal verurteilt worden. Wußte das die Kirchengemeinde, als Sie um Asyl baten?

Frau P.: Das Urteil spricht von Beleidigung. Das war vor gut sechs Jahren. Mein Mann konnte kein deutsch, hatte keinen Anwalt. Der Vorfall geschah bei einem Raufballspiel mit vielen Leuten am Badesee. Mein Mann hat mitgerauft. Ein Mädchen sagte nach dem Spiel, mein Mann hätte sie sexuell berührt.

Aber Sie haben dieses Urteil verschwiegen.

Herr P.: Ich habe eine Strafe bekommen und die habe ich bezahlt. Das ist sechs Jahre her. Als wir um Kirchenasyl baten, hatten wir andere Probleme. Die Sache ist im Nachbardorf passiert. Ich hätte keine Chance gehabt, das zu verheimlichen. Meine vollständige Akte wurde der Kirche zugestellt. Auch da sind Informationen in die Öffentlichkeit gelangt.

Ein Teil der Gemeinde wollte das Kirchenasyl beenden.

Mit uns redet niemand von den Asylgegnern. Wenn wir jetzt aus dem Kirchenasyl gehen, denken alle, ich sei schuldig. Leider dürfen wir nicht rausgehen und einfach die Wahrheit sagen.

Frau P.: Welche Chance haben wir denn? Wir haben Angst in die Türkei abgeschoben zu werden. Und wir haben Angst vor denen in der Gemeinde, die gegen uns sind. Wir wissen, das einige Parteien in der Gemeinde gegeneinander um die Macht kämpfen. Aber das dürfen sie doch nicht auf unserem Rücken austragen. Fragen: T. S.