Kurden verlassen ihr Kirchenasyl

■ Landkreis spricht Duldung aus / Gemeinde bleibt zerstritten

Trotz gegenteiliger Befürchtungen blieb es ruhig in Warsingfehn/Ostfriesland als am Wochenende Landessuperintendant Volker Jürgens eine fünfköpfige Familie bat, die Kirchenräume der Jakobi-Gemeinde zu verlassen: Der Landkreis Leer verzichtet auf eine Abschiebung und sprach eine Duldung für die Zeit des Asylfolgeantrags aus, bestätigte jetzt Landkreis-Sprecher Dieter Backer. Vertraute der Kurden suchen nun eine sichere Zuflucht für die Familie.

Sie war im November von der St. Jacobi Gemeinde ins Kirchenasyl aufgenommen worden – und hatte für viel Konfliktstoff in der Gemeinde gesorgt. Der kurdische Mann war bereits vor sechs Jahren wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Außerdem soll er sich während des Kirchenasyls sexuelle Übergriffe auf zwei Frauen zu schulden kommen lassen haben – Vorwürfe, die die Gemeinde spalteten. Gemeindepastor Hans-Martin Heins informierte im Februar den Kirchenvorstand, der das Kirchenasyl offiziell für beeendet erklärte. Doch als die Gemeindeversammlung schließlich forderte, die Kurden bis zum 15. Mai vor die Tür zu setzen, trat der Kirchenvorstand aus Sorge um die drohende Abschiebung zurück – während einige Gemeindemitglieder die Familie in ihrem Entschluß unterstützten, die Kirche nicht zu verlassen (wir berichteten).

Dieser Unterstützerkreis kritisiert jetzt vor allem Gemeindepastor Hans-Martin Heins. Er habe gegen das Kirchenasyl gearbeitet. Sie bezweifeln die Echtheit der sexuellen Übergriffe: Der kurdische Familienvater, dessen Ermittlungsverfahren wegen der Übergriffe unterdessen weiterläuft, bestreitet im taz-Interview die Tat (s. Seite 22).

Pastor Heins macht dagegen eher Verleumdungen und selbstherrliche Entscheidungen des Kirchenvorstands für die Eskalation in der Gemeinde verantwortlich. „Als ich vor zweieinhalb Jahren in die Gemeinde kam, wollte ich mich alten Machtstrukturen nicht einfach unterordnen. Ich bin kein Hilfsgeistlicher eines anderen Pastors und auch kein ausführendes Organ des Kirchenvorstands. Ich will möglichst viele Gemeindemitglieder in Entscheidungen einbinden. Dafür brauchen wir offene und transparente Arbeitsstrukturen“, sagt Heins. Und weiter: „Wir waren zu unerfahren im Umgang mit dem Kirchenasyl. Einige sind damit zu blauäugig umgegangen.“

Tatsache ist, daß Heins der kurdischen Familie ohne Absprache mit dem Kirchenvorstand angeboten hat, freiwillig in die Türkei zurückzukehren. Heins: „Der Landkreis hatte uns Möglichkeiten genannt, das Kirchenasyl zu beenden, darunter auch die freiwillige Rücckehr in die Türkei. Ich wollte als Vorbereitung auf eine Kirchenvorstandssitzung testen, welcher Lösung die kurdische Familie zustimmt.“ Die Kurden lehnten die Rückreise ab. Der Unterstützerkreis wertet diese Aktion als Vertrauensbruch. Heins dagegen meint zur Abschiebung: „Ich habe als Auslandspfarrer schmerzlich lernen müssen, daß ich nicht alle Not der Welt lindern kann.“

Auch nach dem Ende des Kirchenasyls bleibt die Gemeinde also gespalten: „In der Kirche sitzt schon der Gehörnte und lacht sich eins“, sagt dazu meint ein Gemeindemitglied. Thomas Schumacher