Lächerlichkeit als Chance

Nachdem tm 3 die Übertragungsrechte der Champions League ergatterte, wird beim Frauensender alles anders. Aber auch die optimistische Chefredakteurin Anna Doubek weiß noch nicht wie. Ein Hausbesuch  ■   von Stefan Kuzmany

Ein wunderschöner Frühlingstag im feinen Münchner Vorort Grünwald. „Hach, ich bin ja ganz falsch angezogen“, haucht die junge Dame am Empfang des bisherigen Frauen- und jetzigen Fußballsenders tm 3, muß dabei aber selbst schmunzeln: „Naja, Frauenprobleme.“ Vor ihrer Empfangstheke geht es dagegen offenbar um Männerprobleme: drei dynamische Anzugträger diskutieren mit österreichischem Akzent, Umgangssprache der kommerziellen Fernsehmacher, ob denn des Angebot scho kloar sei und des Fax draaßen. Wieder klingelt das Telefon: Ein Bewerber ist dran, der gerne für die tm 3-Nachrichtenredaktion arbeiten würde.

Seit wann bekommt tm 3 Angebote? Und hat tm 3 überhaupt eine Nachrichtenredaktion? Seit dem 3. Mai, seit der bis dato dahindümpelnde Geheimsender tm 3 die Rechte an der europäischen Champions League gekauft hat, ist hier nichts mehr, wie es war. Das laute Wehklagen über die schlechte Kanalplazierung ist verstummt, endlich wissen die Deutschen zumindest um die Existenz von tm 3. Der tägliche Kampf um Werbekunden, die sich partout nicht zur Ausstrahlung von frauenspezifischen Spots bewegen ließen, ist gewonnen. „Tm 3 ist zum Objekt der Begierde geworden“, freut sich Anna Doubek.

Doubek läßt sich lieber auslachen als übergehen

Die Chefredakteurin, vor Urzeiten Moderatorin des ZDF-Frauen-Klassikers „Mona Lisa“ und daher frauenpowernde Vorzeigedame bei tm 3, hat darüber hinaus jedoch nur wenig Ahnung, was in Zukunft mit ihrem Sender passieren wird. Wird es eine Nachrichtenredaktion geben, der Spartenkanal tm 3 also zum Vollprogramm umgewandelt? „Das entscheidet sich erst noch.“ Wird irgendetwas im Programm so bleiben, wie es war? „Die Ausrichtung am Nachmittag wird so bleiben“, sagt Doubek. Und relativiert: „Wie das im Detail aussehen wird, kann ich noch nicht sagen. Wir können am Programm natürlich noch einiges verbessern.“ Wird Doubek zumindest ihre Magazinsendung behalten? „Das ist nicht die dringendste Entscheidung, die ansteht.“ Oder werden bald ganz andere Menschen die Inhalte des ehemaligen Frauensenders gestalten? „Wir werden sehen“, sagt Frau Doubek. Soll heißen: Sie weiß es auch nicht. Aber wie sollte sie auch?

Zwar habe Doubek „erst vor kurzem zum Jochen“, Jochen Kröhne, dem Geschäftsführer von tm 3, gesagt: „Die Champions League bei tm 3 – das wäre ein Knaller.“ Und tatsächlich sei sie bereits zwei Wochen vor dem Coup über die Vertragsverhandlungen informiert gewesen. Aber zu entscheiden hatte und hat die Chefredakteurin beim Millionendeal der Gesellschafter Rupert Murdoch und Helmut Kloiber um die Ligarechte natürlich nichts. Was ihr bleibt, ist ein kräftiger Optimismus und ein fröhliches Gesicht, während auf Grundlage ihres Champions-League-Versprechers „Manchester gegen Deutschland“ mittlerweile eine eigene Gag-Industrie zu erwachsen scheint. Daß sie sich gleich korrigiert hat („Äh ... Bayern München!“), ficht niemanden an – aber das ficht Frau Doubek nicht an.

Nein, sie sei nicht genervt von der penetranten Fragerei nach ihren Fußballkenntnissen. Doubek, die ihr Dasein als Chefredakteurin jahrelang in der totalen Bedeutungslosigkeit fristen mußte, läßt sich lieber auslachen als übergehen. Die augenscheinlich lächerliche Kombination Frauensender – Champions League betrachtet sie als Chance. „Damit sollten wir spielen“, sagt Doubek – die auch hier wieder betonen muß, daß es sich nur um eine Idee und keine bereits beschlossene Strategie handelt. Eine Werbeagentur solle sich des bizarren tm 3-Image annehmen und daraus etwas zaubern, worüber Frauen und Männer gleichermaßen lachen können. Dazu wünscht sich Doubek eine „enge Zusammenarbeit mit der Sportredaktion“ – von der allerdings bisher nur bekannt ist, daß sie nicht im tm 3-Gebäude sitzen und auch nicht der Chefredakteurin unterstellt sein wird.

Ein Anfang mit der neuen Außenwirkungsstrategie war bereits gemacht und ist offenbar schon wieder eingestellt: Noch letzte Woche versprach die Internet-Homepage von tm 3 ab sofort immer mittwochs um 20.15 Uhr eine Sendung mit dem originellen Titel „Temona Drei und die Champions liegen?“, die „Fußballregeln für alle“ vermitteln wollte. Der Programmhinweis auf den satirischen Schnellschuß ist verschwunden, statt dessen läuft am Mittwoch der dritte Teil des TV-Movies „Julie Lescaut“. Nur ein Experiment? Doubek ist sich der Gratwanderung bewußt: „Entweder es wird richtig gut – sonst ist es gleich richtig schlecht.“

Ihrem journalistischen Anspruch, der spätestens verschütt ging, als tm 3 im Oktober 1997 vom Frauen- zum Ratgeberkanal umgemodelt wurde (Slogan: „Wir machen Service zum Programm!“), trauert Anna Doubek nicht nach: „Sie haben ein Problem damit? Wenn Sie mich das vor zwei Jahren gefragt hätten, dann hätte ich Ihnen am Abend bei einem Bier schon zugestimmt, da hatte ich auch noch ein Problem damit. Aber ich sitze hier in einer Management-Position. Und wenn man in so einer Position sitzt, dann lernt man Pragmatismus. Irgendwann fragt man nur noch: Was muß ich tun, damit der Sender erfolgreich wird?“ Und fast klingt sie erleichtert, daß die alten Zeiten endgültig vorüber sind, wenn sie von der Gründungsphase des Frauensenders berichtet.

Erotik statt Elternmagazin, und jetzt: noch mehr Bälle

„Wenn ich daran denke, daß wir mit fünfzehn Eigenproduktionen angefangen haben – ich bin heute noch fasziniert, wie wir das gestemmt haben.“ Später, nach dem Zusammenstrich des Programmangebots, seit das fast schon „öffentlich-rechtliche“ (Doubek) Elternmagazin „Kinderella“ Formaten wie der Frauenaufmöbelungsinitiative „Vorher-nachher-Show“ weichen mußte, spielten Frauen hauptsächlich spätabends und unbekleidet tragende Rollen bei tm tm 3.

Und jetzt: noch mehr Bälle. Wenn es sich Murdoch nicht doch noch anders überlegt und die Fußball-Rechte bei VOX und RTL verwertet – während tm 3-Geschäftsführer Kröhne noch vom Erwerb der Ausstrahlungsrechte für die Fußballbundesliga träumt.

„Sie sind ein Pessimist. Seien Sie ein Optimist!“, gibt die Chefredakteurin dem Besucher noch mit auf den Weg, der trotz des warmen Wetters eine Jacke dabei hat. Bei den Mitarbeitern hat sich der offensive Optimismus schon durchgesetzt: Unten am Empfang wird gerade ein Taxi gerufen, und als der Mensch am anderen Ende der Leitung auch nach mehrmaliger Wiederholung mit dem Begriff tm 3 nichts anfangen kann, wird die Empfangsdame energisch: „Te - Em - Drei – das kennen Sie doch. Wir sind die, die die Champions League gekauft haben.“ Eine kurze Pause, dann lächelt sie zufrieden: „Na also, geht doch.“