„Montenegro braucht eine eigene Währung und eine eigene Armee“

■ Interview mit Novak Kilibarda, Vizepremierminister von Montenegro, der von der jugoslawischen Armee mit Haftbefehl gesucht wird

Der montenegrinische Vizepremier, Novak Kilibarda, 63, ist Vorsitzender der Volkspartei, die zusammen mit der Demokratischen Partei der Sozialisten von Präsident Djukanovic und der Sozialdemokratischen Partei die Regierungskoalition „Für ein besseres Leben“ bildet. Kilibarda ist Professor für serbische Literatur an der Universität von Niksic, wo er auch weiterhin unterrichtet.

taz: Herr Kilibarda, die jugoslawische Armee sucht Sie wegen Aufrufs zur Kriegsdienstverweigerung mit einem Haftbefehl. Wie sicher fühlen Sie sich?

Novak Kilibarda: An meinem Arbeitsplatz fühle ich mich sicher, aber ich bin gewohnt, mich frei zu bewegen. Ich suche gerne Cafés und Restaurants auf. Und da gibt es natürlich Einschränkungen, weil ich die Anweisungen der Organe befolgen muß, die für meine Sicherheit zuständig sind. Die Armee jagt mich wegen meines Aufrufs an die Bürger Montenegros, den Kriegsdienst im Kosovo zu verweigern. Aber Miloevic hat doch immer behauptet, das Kosovo sei eine innere Angelegenheit von Serbien. Weshalb sollten wir Montenegriner denn dafür in den Krieg ziehen?

Die Polizei beschützt Sie, die Armee sucht Sie. Die Polizei gehorcht Milo Djukanovic, dem Präsidenten Montenegros, die Armee steht unter dem Oberbefehl von Slobodan Miloevic, dem Präsidenten Jugoslawiens. Miloevic hält Djukanovic, der sein Land aus dem Krieg heraushalten will, für einen Verräter. Besteht die Gefahr, daß die jugoslawische Armee in Montenegro die Macht übernimmt?

Miloevic will die montenegrinische Regierung erniedrigen, indem sie einen Haftbefehl gegen mich, den Vizepremier, ausstellt. Er will die Regierung in Bedrängnis bringen, indem er unsern Hafen in Bar militärisch blockiert. Er ist gegen die demokratische Alternative zu seiner Diktatur, und deshalb werden die Journalisten der freien Medien von Montenegro von der Armee eingeschüchtert. Wenn Miloevic überzeugt wäre, daß er hier in Montenegro eine größere Unterstützung für seine Politik hätte, dann würde er einen Putsch inszenieren. Er fürchtet die Ausstrahlung, die von Montenegro auf Serbien ausgeht. Während er selbst sich nicht mehr traut, in den Westen zu reisen, wird Djukanovic von Chirac und Schröder, vielleicht sogar von Clinton empfangen. Zudem weiß Miloevic, daß er die Macht über das Kosovo verlieren wird, auch wenn dieses formal bei Serbien bleiben wird. Seine Anhänger sind enttäuscht, daß er das Kosovo nicht halten kann. Mit der Umklammerung Montenegros will er ihnen nun beweisen, daß er noch immer an Jugoslawien festhält.

Haben die Nato-Bomben in Montenegro mehr der Regierung oder mehr der Opposition, den Anhängern von Bulatovic also, der heute Ministerpräsident Jugoslawiens ist, geholfen?

Wenn man von der Popularität Bulatovic' spricht, meint man die Popularität Miloevic' in Montenegro. Denn ohne Miloevic bedeutet Bulatovic nichts. Er hat noch immer eine große Anhängerschaft, aber seine Position wird zunehmend schwächer.

Wenn der Krieg vorbei ist, muß Serbien wieder aufgebaut werden. Eine Hyperinflation ist zu erwarten. Will Montenegro, das sich aus dem Krieg im Kosovo herauszuhalten versucht, sein Schicksal weiterhin an das Serbiens binden?

Auch wenn sich Montenegro von Serbien nicht trennt, werden wir versuchen, uns durch eine eigene Währung vor den Folgen der katastrophalen Politik Serbiens zu schützen.

Und wird es bei der alten jugoslawischen Föderation von Serbien und Montenegro bleiben?

Das Kosovo wird einen neuen Status erhalten, also wird auch Montenegro seine Position neu definieren müssen. Wir sollten das Konzept der Föderation aufgeben und zu einer Konföderation übergehen. Serbien ist 13mal größer als Montenegro. Da ist es schwierig, in einer Föderation gleichberechtigt zusammenzuleben. Die Mehrheit der montenegrinischen Bürger will nicht sämtliche Beziehungen zu Serbien abbrechen. Eine Konföderation ist also die optimale Lösung. Dann kann auch nicht mehr eine jugoslawische Armee daherkommen und den montenegrinischen Vizepremier verhaften wollen.

Konföderation, das heißt also nicht nur eine eigene Währung, sondern auch eine eigene Armee.

Ja.

Wenn Miloevic, den Sie als Diktator bezeichnen, nach dem Krieg an der Macht bleibt, soll dann das demokratische Montenegro mit einer serbischen Diktatur eine Konföderation bilden?

Miloevic wird nach Ende dieses Krieges auf keinen Fall mehr so viel Macht haben, wie er früher hatte. Wenn er sich denn überhaupt an der Macht hält, dann nur dank seiner Polizei und über Korruption, aber in jedem Fall wird er sehr geschwächt sein. Seine Schwäche wird so offensichtlich sein, daß der Westen nicht mehr ausschließlich mit ihm verhandeln will, wie er es unsinnigerweise so lange getan hat. Der Westen hat auch die Psyche Miloevic' nie kapiert. Er hat geglaubt, ihn mit der Zerstörung von Brücken und Fabriken zum Einlenken zu zwingen, und nicht gemerkt, daß Miloevic es wie ein Pharao genießt, der meisterwähnte Politiker der Welt zu sein. Aufgeblasen durch die jahrelange Hofierung durch den Westen, verlor Miloevic den Sinn für Realität. Man mußte ihn mit Bomben stoppen. Am Ende aber wird er wie alle Diktatoren aus dem Land fliehen und nur Ruinen hinter sich lassen. Interview: Thomas Schmid