D'Alema prescht vor

■ Italiens Regierungschef will Rußland und China ködern. Die Nato begrüßt alle diplomatischen Initiativen, will aber weiter bombardieren, bis Milosevic einlenkt

Der italienische Ministerpräsident Massimo D'Alema hat gestern einen Vorschlag zur Beendigung des Kosovo-Krieges unterbreitet. Im Kern schlägt er eine einseitige Waffenruhe der Nato vor, sofern Rußland und China einer UN-Resolution gegen den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Miloevic zustimmen. Sollte Miloevic auch dann seine Einheiten aus dem Kosovo noch nicht zurückziehen, müsse die internationale Gemeinschaft Bodentruppen entsenden, sagte D'Alema in einem Interview mit der italienischen Zeitung La Repubblica.

Die Nato äußerte sich vordergründig positiv über D'Alemas Initiative. Ihr Sprecher Jamie Shea sagte, die Nato begrüße alle diplomatischen Initiativen, die zur Beilegung der Krise auf der Grundlage der fünf Bedingungen der internationalen Gemeinschaft beitragen. Diese Bedingungen sind die sofortige und überprüfbare Einstellung aller Gewalt und Unterdrückung im Kosovo, der Rückzug aller serbischen militärischen und paramilitärischen Kräfte, die Stationierung einer internationalen Militärpräsenz, die Rückkehr der Vertriebenen und ein politisches Rahmenabkommen auf der Basis des Rambouillet-Abkommens.

Shea hob jedoch zugleich hervor, alle Regierungen der Nato – und somit auch die italienische – hielten an den Luftangriffen fest, bis der jugoslawische Präsident Slobodan Miloevic eingelenkt habe. Eine von D'Alema angestrebte Resolution des UN-Sicherheitsrates mit Unterstützung Rußlands und Chinas sei willkommen. Bislang fordern die beiden ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates allerdings einen Stopp der Luftangriffe auf Restjugoslawien, ehe das Gremium sich mit einer Kosovo-Resolution auf der Grundlage des Beschlusses der führenden westlichen Industriestaaten und Rußlands (G 8) befaßt.

D'Alema hat sich nach seinen Worten bereits mit westlichen Partnern beraten und will darüber morgen mit dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder in der italienischen Adriastadt Bari sprechen.

Der italienische Ministerpräsident steht innenpolitisch angesichts einer wachsenden Opposition gegen den Krieg unter Druck. Der Abwurf von Nato-Bomben über der Adria führt zu Streiks der betroffenen Fischer (Bericht auf Seite 4), und gestern stand ein alljährlicher Friedensmarsch mit 50.000 bis 80.000 Teilnehmern ganz unter dem Zeichen des Kosovo-Krieges. „Stellt das Feuer ein“, stand in großen Lettern auf den Transparenten. „Wir fordern von Slobodan Miloevic, die ethnische Vertreibung zu beenden. Und wir fordern von der Nato, ein weiteres Blutbad an Zivilisten zu verhindern“, sagte einer der Organisatoren. Besonders unangenehm für D'Alema: An dem traditionellen Marsch von Perugia nach Assisi nahmen auch Politiker des Regierungsbündnisses teil. Zu der Kundgebung hatten Friedensgruppen aufgerufen.

Die Nato setzte auch in der Nacht zum Sonntag ihre Luftangriffe gegen Jugoslawien fort, mußte aber wegen schlechten Wetters einige der geplanten Einsätze streichen.

Wie die Allianz in Brüssel mitteilte, griffen die Nato-Maschinen vor allem serbische Einheiten im Süden und Südosten des Kosovo an. Unter Beschuß gerieten nach den Angaben auch Artillerie- und Kommando-Stellungen. Ferner richteten sich die Angriffe gegen die Stromversorgung von Industriekomplexen. Die jugoslawischen Medien meldeten sechs Verletzte. dpa/taz

„Wir fordern von Milosevic, die Vertreibung zu beenden, und von der Nato, ein weiteres Blutbad zu vermeiden“