Revolutionäres Handheben

■ „Sachkenntnis“ oder „Serviceorientierung“? Der Hamburger Sportbund wählt heute einen neuen Präsidenten

Daß die Delegierten der knapp 500.000 Mitglieder des Hamburger Sportbundes (HSB) überhaupt zwischen zwei Präsidentschaftskandidaten wählen können, hat es seit über 30 Jahren nicht gegeben. Dazu steht dem Dachverband möglicherweise heute abend noch ein Führungswechsel ins Haus: Auf der Mitgliederversammlung tritt der ehemalige SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Heinz Hermann Paetz gegen Amtsinhaber Klaus-Jürgen Dankert an.

Der 55jährige Herausforderer, Vorsitzender des Sportvereins Oberalster VfW, wird von den beiden größten Fachverbänden, dem Turnverband VTF und dem Hamburger Fußball-Verband, unterstützt. „Der HSB hat in den vergangenen Jahren geschlafen. Er muß die Interessen des Sports aggressiver und offensiver vertreten“, so Paetz. Kritiker werfen Dankert vor allem vor, die Streichung des Sportunterrichts an den Berufsschulen abgesegnet zu haben. Der Steuerberater Paetz will den HSB „modernen Erfordernissen anpassen und seine Service-Funktion für kleine Vereine stärken“.

Dankert war als Präsident von Anfang an umstritten. Bei seiner Wahl im Frühjahr 1997 stimmten über 40 Prozent gegen den parteilosen Studiendirektor, obwohl es keinen Gegenkandidaten gab. Der 59jährige hat seit den sechziger Jahren alle Führungsgremien des HSB durchlaufen. Seinem fehlenden Charisma setzt er Fleiß und Kompetenz auf dem Gebiet der Sportpolitik entgegen. Dementsprechend „entsetzt“ zeigte sich Dankert jetzt „über die geringe Detailkenntnis von Paetz“. Der HSB, so der Präsident, habe in den vergangenen Jahren „ungeheuer erfolgreich gearbeitet“.

Für beide Kandidaten spielen die neuen Gesetze zur Scheinselbständigkeit und die Neuregelung der 630-Mark-Jobs, von der in Hamburg 12.000 Übungsleiter betroffen sind, eine zentrale Rolle. Dabei verfolgen sie unterschiedliche Strategien: Dankert verlangt die Rücknahme der Gesetze, Paetz will die steuerfreie Aufwandsentschädigung für Übungsleiter von gegenwärtig 200 Mark pro Monat auf 400 bis 600 Mark erhöhen.

Beide Kandidaten gaben sich am Wochenende zuversichtlich, aus der Kampfabstimmung heute als Sieger hervorzugehen. Falls Paetz die Palastrevolution gelingt, ist auch bei der Wahl des zweiten HSB-Vizepräsidenten mit einer Neubesetzung zu rechnen: Die Sportwissenschaftlerin Beate Blanke soll auf dieser Position als erste Frau den Amtsinhaber Rupprecht Schaper beerben.

Olaf Krohn

Mitgliederversammlung heute, 19 Uhr, Haus des Sports