Neues Pfarrgesetz: Nicht nur vor Gott verantwortlich?

■ Kirchenreform: Evangelische Gemeindepfarrer bangen um ihre Lebensstellungen / Gemeinden dürfen sich von ihnen nach zehn Jahren ohne Nennung von Gründen trennen / Geschaßte kommen in Pastorenpool

Linke Pastoren oder orthodoxe Strenggläubige, evangelische Alkoholiker oder Ehebrecher sehen, sofern sie Gemeindepfarrer sind, derzeit ein gemeinsames Problem auf sich zukommen: Das neue Pfarrergesetz. Über dessen Neufassung werden die Delegierten des Bremischen Evangelischen Kirchentags in den kommenden Tagen in erster Lesung beraten. Es sieht vor, daß evangelische Kirchengemeinden sich künftig von ihren PastorInnen nach einer Zehn-Jahresfrist ohne Angabe von Gründen trennen können. Die solchermaßen Geschaßten würden dann der Obhut und weiteren Arbeitsvermittlung des über allen Gemeinden thronenden Kirchenausschusses überstellt – und nach fünf Jahren erfolgloser Vermittlung möglicherweise die Frührente antreten. Soweit die schlimmsten Befürchtungen der KritikerInnen des BEK-Gesetzentwurfs, die von ihren Gemeinden bislang auf Lebenszeit gewählt und eingestellt wurden. Das Leitungsgremium der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) um Präsidenten Heinz Hermann Brauer dagegen unterstützt die Reform nachdrücklich.

Wie die Debatte ausgeht, scheint trotz längerer Vorberatungen noch offen. Auch einzelne, bislang in Personalfragen völlig autonome Gemeinden sollen Eingriffe in ihre Entscheidungsautonomie fürchten, heißt es. Denn mit der Kündigung des einen Pfarrers könne auch die Einstellung eines anderen – bedürftigen und deshalb von höherer Stelle vorgeschlagenen – einhergehen. Fest steht allerdings, daß die 74 zum Kirchentag delegierten PastorInnen den insgesamt 196 Delegierten aus allen Bereichen der BEK bei einer Abstimmung zahlenmäßig deutlich unterlegen sein werden. Doch betonen die gemeindlichen Seelsorger, daß es ihnen um mehr als nur um Machtfragen ginge.

„Mit dem Gesetz würde das Berufsbild des Pfarrers tiefgreifend zum Negativen verändert“, warnt Hartmut Drewes von den „Bremer Pastorinnen und Pastoren gegen ein neues Pfarrergesetz“. Bei dem auch in der ÖTV organisierten Gemeindepfarrer aus Oslebshausen haben bereits 65 KollegInnen eine Protestnote gegen die Reform unterschrieben, darunter auch Pensionäre. Insgesamt beschäftigt die BEK rund 150 GemeindepfarrerInnen, die ihre Arbeit, sowie Inhalte und Ausführung bislang lediglich vor Gott verantworten mußten. Mit der Reform, so fürchten sie, wären sie bald schlechter als andere Arbeitnehmer gestellt – und die „Freiheit der Verkündigung“ wäre eingeschränkt: „Mancher wird sich überlegen, ob er einen innovativen Gottesdienst versucht oder lieber von der Kanzel herab predigt, was Gemeindeglieder hören möchten.“

Auch praktisch sehen die KritikerInnen der Novelle Probleme: In einer kleinen Landeskirche wie Bremen drohe den von der Gemeinde verstoßenen PastorInnen – möglicherweise nach Mobbing, „fast ein Berufsverbot“. ede