Bilder eines kollektiven Gedächtnisses

■ Dokumente des Grauens – Eine Filmreihe „Nationalsozialismus und Holocaust“

Ein gewagtes Unternehmen – geht man von einer kommerziell geschliffenen Sehweise aus –, was sich das Lichtblick-Kino und das kulturwissenschaftliche Seminar der Humboldt-Uni hier vorgenommen haben. Die gemeinsam konzipierte Filmreihe „Bild und kollektives Gedächtnis – Nationalsozialismus und Holocaust im Dokumentarfilm“ stützt sich lediglich auf Originaldokumente und auf das Gedächnis von ZeitzeugInnen.

Die zwölf Filme, die bis Mitte Juli wöchentlich angeboten werden, sind kein postmodernes Sehvergnügen und eignen sich auch nicht für schnelle Identifikationen. Es macht Mühe, sie zu Ende zu sehen, und der Zuschauer bleibt verstört zurück.

Nur auf Dokumente der Nazis baut der sowjetische Film „Der gewöhnliche Faschismus“ von Michail Romm auf. Bilder von Deutschen, die Hitler zujubeln, wechseln sich ab mit von SS-Leuten aufgenommenen Greueltaten aus den Vernichtungslagern in Osteuropa, die mit Melodien deutscher Schunkelmusik unterlegt sind. Am stärksten ist der Film, wo er mit Worten sparsam umgeht. So wenn Konterfeis in Auschwitz Ermordeter mit dem Satz kommentiert werden: „Sie sind alle vergast worden. Ihre Augen schauen uns immer noch an.“

Mit „Nacht und Nebel“ von Alain Resnais ist ein Pionier des Dokumentarfilms über die NS-Zeit im Programm. Der Film konfrontiert den ausgestorbenen Flekken Auschwitz von 1955 mit dem Vernichtungslager von 1945. Die Musik von Hanns Eisler rückt die Ungeheuerlichkeiten in eine Distanz, die ein Nachdenken ermöglichen.

Der Film „Mein Kampf“ des deutschen Emigranten Erwin Leiser war 1960 nicht nur in der Filmwelt, sondern auch unter HistorikerInnen eine Sensation. Dem Film ist jahrelange Archivarbeit vorausgegangen. Einige Szenen aus dem Warschauer Getto zeigen ausgemergelte, kranke Menschen. Doch weil die Kamera ihnen ihre Würde nicht nehmen konnte, wagten die Nazis nicht, diese Sequenzen zu zeigen. Sie befürchteten, statt Rassenhaß Mitleid auszulösen.

Die polnischen Filmemacher Jerzy Bossak und Waclaw Kazmierczak verwendeten hingegen für ihren Film „Requiem für 5.000.000“ lediglich von den Nazis verwendete Fotos aus dem Warschauer Getto. Der mit Barockmusik unterlegte Film sollte, wie der Titel schon sagt,Trauerarbeit leisten.

Die Stärke von Claude Lanzmanns Klassiker „Shoa“ und Marcel Orphüls' „Hotel Terminus“ liegt hingegen gerade im völligen Fehlen jedes moralisierenden Kommentars. Auch hier finden wir wieder das Phänomen, daß die überlebenden Opfer oft ihre Berichte weinend unterbrechen müssen, während der Wortschwall der interviewten Täter oft nicht zu bremsen ist. Zu hoffen ist, daß diese Filme ihre ZuschauerInnen finden. Peter Nowak

18. 5., 17 Uhr, „Mein Kampf“; 25. 5., 18 Uhr, „Die blutige Zeit“, „Nacht und Nebel“ und „Requiem für 5.000.000“; 1. 6., 8. 6. und 22. 6. „Shoa“; 6. 7. und 13. 7. „Hotel Terminus“. Kino Lichtblick, Kastanienallee 77