„Hollywoodreif“

■  45 Radler und 50 Polizisten kämpften um die Straßenverkehrsordnung. Ergebnis: Platzverweise, Identitätsfeststellungen und andere Festnahmen

Jedes Mal, wenn die „Critical Mass“, ein loser Zusammenschluß von Fahrradfahrern, durch die Stadt radelt, gibt es Ärger mit der Polizei. Dabei wollen die Radler, die weder für noch gegen etwas protestieren, nichts anderes, als sich nach dem Motto „Wir blokkieren nicht den Verkehr, wir sind der Verkehr!“ ein Stück Straße und damit Lebensqualität zurückzuerobern. Doch seitdem sie sich einmal im Monat am Brandenburger Tor treffen, spielt sich immer wieder das gleiche Spiel ab: Die Polizei macht sich auf die Suche nach nicht existenten Anmeldern und versucht, nicht existente Demorouten zu durchbrechen.

So auch am vergangenen Sonntag, als etwa vierzig Fahrradfahrer vom Brandenburger Tor Richtung Adenauerplatz fuhren, um Freunde auf ihrer mehrtägigen Fahrradtour zum EU-Gipfel Anfang Juni in Köln ein Stück weit zu begleiten. Nachdem die Gruppe am Breitscheidplatz von zwei Polizistinnen über Lautsprecher zum Anhalten aufgefordert wurde und keiner reagierte, versuchte die Polizei „aufzulösen, was es gar nicht gab“, schildert Patrick Conley seinen Eindruck. Ein Streifenwagen habe mit einer „hollywoodreifen Vollbremsung“ auf dem Ku'damm versucht, den Radfahrern den Weg abzuschneiden. In einer Seitenstraße habe die Polizei dann „zugeschlagen“, so der 33jährige Journalist und Radler Conley weiter. Etwa 50 Beamte seien vor Ort gewesen, obwohl sich der Ärger der Autofahrer sehr in Grenzen gehalten habe. „Einige hupten, das war alles“, so Conley. Trotzdem hätten sich die Beamten „wahllos“ Fahrradfahrer herausgegriffen, deren Personalien aufgenommen und sie dann an unterschiedliche Stellen in der Stadt verfrachtet. „Das läßt sich bestenfalls mit einer 1.-Mai-Psychose der Berliner Polizei erklären“, so Conley.

Für die Polizei sind die Radler rechtlich schwer faßbar. Die Teilnahme an einer unangemeldeten Demo ist nicht strafbar, wohl aber der Aufruf und die Durchführung. Die Pressestelle der Polizei wies gestern den Vorwurf der „Psychose“ zurück. „Ich kann keinen Zusammenhang mit dem 1. Mai erkennen“, sagte ein Sprecher. Fakt sei, daß etwa 45 Radfahrer „offensichtlich aus dem linken Spektrum“ die Aufforderungen ignoriert hätten, den Verkehr passieren zu lassen. Sie seien entgegen der Fahrbahn und auf Gehwegen gefahren. Gesamtausbeute der Polizei: 7 Platzverweise, 6 Verbringsgewahrsame und 17 Identitätsfeststellungen. Wer beim nächsten Mal am 28. Mai um 16 Uhr am Brandenburger Tor mitradeln will, sollte den Personalausweis zwischen die Speichen klemmen und nicht an der Spitze fahren, sonst gilt man als Veranstalter. B. Bollwahn de Paez Casanova