Bitte bewahren Sie Ruhe und ggf. Humor  ■   Von Andreas Milk

„Frohsinn“ und „Flugzeugabsturz“ – das ist nicht nur, formal betrachtet, eine Alliteration, vielmehr haben beide Wörter auch inhaltlich miteinander zu tun. So um ein paar Ecken rum. Zugegeben, vorgestern war mir das selbst nicht bewußt – bis ich in eine erhellende Thekendiskussion geriet. Das Thema: Humor.

Humor, dozierte einer, sei eben nicht, wenn zu den üblichen Gelegenheiten (Betriebsfeste, Didi Hallervorden etc.) pflicht- und erwartungsgemäß gescherzt und gelacht werde, sondern: Humor treffe man dort an, wo jemand einer unangenehmen, ja prekären Situation Heiteres abgewinne – beispielsweise im Düsenjet zu oben erwähnter Gelegenheit. „So flott ist der Vogel noch nie gelandet – da komm' ich doch noch pünktlich zum Skat“: Wer diesen Satz im taumelnden Airbus locker-flockig rausbringe, verdiene den Applaus der Mitmenschen (hoffentlich beeilen sie sich), nicht aber ein Klotzkopf, der auf Parties kreische und wiehere und aufpasse, nur bloß nichts falsch zu machen beim Fröhlichsein. Die Diskutanten signalisierten Zustimmung, und die nächste Runde wurde geordert: drei große Pils, zwei kleine.

Wenige Minuten verstrichen, und die gefüllten Gläser standen vor uns – zwei große Pils, drei kleine. Augenblick mal – zwei große, drei kleine? Zack, da war sie: die unangenehme, ja prekäre Situation. Aufmerksame LeserInnen werden es bemerkt haben: ein großes Pils zuwenig. Würde es uns möglich sein, humorvoll damit umzugehen? Was ein als „Ulkvogel“ Profilierter tun würde, war klar: rumkrakeelen und kein Trinkgeld geben, der Idiot. Aber wir, die wir uns der feinen Gabe wahrhaftigen Witzes zu bedienen bestrebt sind – was wäre uns angemessen? Eine knifflige Geschichte. Eine sehr knifflige Geschichte sogar.

Folgerichtig registriert das Protokoll an dieser Stelle allgemeine Nachdenklichkeit. Humor, so lautet eine Binsenweisheit, ist eine ernste Sache. Gepflegte Geselligkeit: dito. Gepflegte Geselligkeit bei gestörtem Alkoholnachschub: ganz, ganz heikel. Wie wäre es, so lautete ein Vorschlag, den Kellner dahingehend zu befragen, ob ihm auf seinem beschwerlichen Wege durch Tisch- und Stuhlreihen eine Kleinigkeit an Flüssigkeit verdunstet sei? Dies wurde eifrig erörtert; zwei Thesen bildeten sich heraus. Nummer eins: Der Adressat könnte den Vorhalt als kleinlich empfinden, schließlich seien 0,2 Liter abwesendes Bier keine Katastrophe (jedenfalls keine allzu gravierende – na, sagen wir, irgendwo einzuordnen zwischen dem Betriebsfest und Didi Hallervorden). Nummer zwei: Er werde nicht kapieren, was eigentlich los sei, da er selbst von seinem Fehler überhaupt keine Notiz genommen habe, denn sonst hätte er doch sofort ... – wie auch immer.

So endete die Auseinandersetzung ergebnislos; wir blieben noch ein Weilchen sitzen, ließen uns einige weitere Runden liefern, ohne daß erneut ein Mangel in der Bewirtung aufgetreten wäre. Notorisch frohgestimmte Menschen fragen jetzt schelmisch: „Was lernt uns das?“ Die Antwort ist zweigeteilt. Zum einen: Manches erledigt sich auf gar wundersame Weise von allein. Zum andern: Es ist in gefahrenträchtigen Verkehrsmitteln mitunter leichter, der Heiterkeit zu dienen, als in bürgerlichen Gaststätten.