■ Kosovo: Die Luftkriegsstrategie der Nato ist gescheitert
: Totalschaden statt Kollateralschaden

Die Sprecher der Nato sind offenbar gefeit gegen Kritik an der Fortsetzung des Luftkrieges. Als ob nichts geschehen sei, präsentieren sie weiterhin graphische Erfolgsbilanzen, die das Bündnis über jeden Zweifel erheben. Fehlschläge und zivile Opfer werden höchstens am Rande eingeräumt und nur, wenn stichhaltige Beweise keine Ausflüchte zulassen.

Was die Militärs zu „Kollateralschäden“ kleinreden, sieht die Allianz bedauernd als unvermeidliches Risiko an. Eine Änderung ihrer Strategie sei nicht erforderlich. Im Gegenteil, „legitime militärische Ziele“ müßten sogar „intensiver“ angegriffen werden, im übrigen sei Miloevic auch für die zivilen Bombenopfer der Nato allein verantwortlich. Miloevic, so Pentagon-Sprecher Bacon, mißbrauche Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“. Wenn dies zutrifft – und Aussagen von Flüchtlingen sprechen dafür –, hat die Allianz aber allen Grund, ihre Strategie zu revidieren, nicht zuletzt, um dem schlimmen Vorwurf der fahrlässigen Tötung Unschuldiger zu entgehen. Der Preis des Verlusts an Glaubwürdigkeit ist weitaus geringer als die Verantwortung für die Gefährdung jener Menschen, die doch vor Gewalt geschützt werden sollen. Kein militärisches Ziel ist „legitim“, wenn dessen Zerstörung das Risiko ziviler Opfer in sich birgt.

Die Nato hat alles auf eine Karte gesetzt und sich in eine Falle manövriert. Zivile Opfer waren nicht vorgesehen, sie sind bei Bombardements aber unausweichlich. Allein die Beendigung des Krieges verspricht einen Ausweg. Sowohl die Fortsetzung der Luftschläge als auch eine Ausweitung des Krieges am Boden erhöhen nur die Wahrscheinlichkeit ziviler Opfer, ohne den Frieden näher zu bringen.

Die Fundamente für die einzig vernünftige, politische Lösung sind mit den G-8-Prinzipien gelegt. Je schneller sie in eine Resolution des UN-Sicherheitsrates umgegossen werden, desto größer die Aussichten auf ein Ende des Krieges. Rußland und China haben die Einstellung der Luftangriffe hierfür zur Bedingung gemacht. Die Nato sollte beide beim Wort nehmen und jetzt den ersten Schritt tun. Militärische Vorteile könnte Belgrad aus einer Feuerpause kaum ziehen, zumal ein einiger Sicherheitsrat auch die taktischen Spielereien Miloevic' beenden würde. Eine Feuerpause würde das Bekenntnis der Nato, eine politische Lösung mit Rußland und China zu wollen, stärken. Und sie würde weitere „Kollateralschäden“ ausschließen. Hans-Joachim Gießmann

Mitarbeiter am Hamburger Institut für Friedensforschung