Der Nato-Sieg fällt nicht vom Himmel

■  Der britische Außenminister Robin Cook heizt die Debatte um den Einsatz von Bodentruppen im Kosovo weiter an. Die diplomatischen Bemühungen um eine politische Lösung werden intensiviert

Berlin (taz) – Während Nato-Sprecher am Montag neue Hoffnungen auf eine baldige diplomatische Lösung des Kosovo-Konflikts zu schüren versuchten, hat der britische Außenminister Robin Cook in Brüssel auf eine rasche Entscheidung über Bodentruppen gedrängt. Man müsse nicht erst eine Einigung mit Belgrad herbeiführen, um zu entscheiden, daß man die Rückkehr der kosovarischen Flüchtlinge durch Truppen erzwingen solle, sagte Cook.

Er schränkte ein, dies müsse nicht unbedingt eine „massive Nato-Invasion gegen organisierten bewaffneten Widerstand“ bedeuten. Die jugoslawischen Streitkräfte im Kosovo seien zunehmend demoralisiert, und es komme zu Desertionen.

Doch es ist offensichtlich, daß die Zeit drängt, eine grundsätzliche Entscheidung über das weitere Vorgehen der Nato zu treffen. Die militärischen Planer des Bündnisses sind jetzt aufgefordert worden, einen Zeitplan für den Einsatz von Bodentruppen aufzustellen, und in Albanien wurden weitreichende Artillerie und Radaranlagen installiert, die den Einsatz der tieffliegenden Apache-Hubschrauber unterstützen sollen.

Noch im April waren Bodentruppen auf dem Nato-Gipfel kategorisch ausgeschlossen worden. Nun sagt der britische Premierminister Tony Blair: „Alle Optionen werden offengehalten.“ Führende US-Militärs, so am Sonntag der ehemalige Generalstabschef Colin Powell, haben die Clinton-Regierung wissen lassen, daß nach ihrer Überzeugung der Krieg allein aus der Luft nicht gewonnen werden könne.

Ein Bodenkrieg kann andererseits nicht mehr lange hinausgezögert werden. Schon im September, wenn in den Bergen des Kosovo der erste Schnee fällt, ist die Aktionsfähigkeit von Bodentruppen deutlich eingeschränkt. Die Vorbereitung ihres Einsatzes dauert andererseits Wochen, wenn nicht Monate.

Auch deshalb werden in den nächsten Tagen die diplomatischen Bemühungen um ein Ende des Konflikts deutlich intensiviert. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte dem finnischen Präsidenten Martti Ahtisaari, der internationaler Vermittler gegenüber Belgrad werden soll, in Helsinki die „volle Unterstützung“ der Europäischen Union zu.

Gestern nachmittag traf Schröder in Bari Italiens Regierungschef Massimo D'Alema. Dessen Friedensplan schlägt ein Ende der Angriffe vor, wenn Rußland und China einer UN-Resolution zum Kosovo-Konflikt zustimmen. Moskau verlangt aber einen Angriffsstopp der Nato als ersten Schritt.

Der russische Vermittler Wiktor Tschernomyrdin trifft heute mit Ahtisaari und dem Vizeaußenminister der USA, Strobe Talbott, zusammen, bevor er erneut nach Belgrad reist. Und auch die eher stille Diplomatie geht weiter: Der serbische Multimillionär Bogoljub Karic, ein enger Vertrauter Slobodan Miloevic', reist noch in dieser Woche in die USA, um mit US-Parlamentariern zu sprechen.

Erstmals seit Beginn des Nato-Luftkrieges gegen Jugoslawien wird eine Delegation der Vereinten Nationen das Kosovo besuchen. Die Abordnung, die am Sonntag in Belgrad empfangen wurde, besichtigte gestern Kriegsschäden in der jugoslawischen Hauptstadt, darunter die zerschossene chinesische Botschaft und das Gebäude des serbischen Fernsehens.

Die UN-Vertreter sollten auch mit Miloevic zusammentreffen. UN-Delegationsleiter Sergio de Mello erklärte am Sonntag, im Kosovo wolle man sich in erster Linie über das Schicksal der Flüchtlinge und den Bedarf an humanitärer Hilfe unterrichten. „Wir sind in Sorge über die Hunderttausenden, die sich innerhalb der Provinz auf der Flucht befinden sollen“, sagte de Mello. „Dies ist das erste Mal, daß wir ein solches Unterfangen beginnen können, dazu noch mitten in einem Krieg.“ Stefan Schaaf