Die „Letzten der Letzten“?

■ Die Bremer Innenreinigung beklagte Mißstände und drohende Privatisierung nach der Wahl / Politiker plädieren für einen Eigenbetrieb / ÖTV bemängelt Initiative

„Bei uns an der Schule ist alles sauber. Schau'n Sie sich ruhig mal bei uns die Naßräume an, ohne Voranmeldung. Und dann vergleichen sie die mal mit Schulen, wo Fremdfirmen putzen: Da sieht es saumäßig aus!“ Putzkraft Irmgard Dodt empört sich über die ihrer meinung nach schlechte Arbeit privater Reinigungsunternehmen an Bremer Schulen. Genau darum trafen sich gestern auf Einladung der Gewerkschaft ÖTV rund 150 RaumpflegerInnen im öffentlichen Dienst in der Schule Kleine Helle. Ziel war es, ihrem Unmut und ihrer Angst Luft zu machen, vor allem aber sollten die Politiker Klartext sprechen: Denn den rund 1.400 Beschäftigten im öffentlichen Putz-Dienst droht die Privatisierung.

1997 hatte die Unternehmensberatung Mc Kinsey erhoben, daß Bremen mehrere Millionen Mark an Reinigungskosten einsparen könne; die ÖTV hatte in einem Gegengutachten dem Senat vorgeschlagen, einen Eigenbetrieb zu gründen und ihn langfristig in eine GmbH zu überführen. Doch seit letztem Herbst stockt diese Diskussion, so Onno Dannenberg von der ÖTV. Jetzt wollten Putzfrauen und Gewerkschaft endlich von den Politikern wissen, was Sache ist. SPD-Fraktionschef Christian Weber (SPD) wollte eigentlich niemandem die Schuld für die Misere zuweisen. Aber dann fragt er: „Was hat denn die ÖTV bisher getan?“ Schließlich wolle er am Jahresende – dann ist der Tarifvertrag frühstmöglich kündbar – nicht mit leeren Händen dastehen. Sein Vorschlag: Der Eigenbetrieb muß her, alle Beschäftigten werden übernommen.

Immerhin erregtes Gemurmel, auch Applaus. „Mensch hör' auf“ schallt dagegen vielfach Dieter Focke (CDU) entgegen: Seine Mitleidsbeteuerungen und das „Staat-und-Kommune-haben-kein-Geld“ stößt beim Publikum auf deutliche Ablehnung. Helmut Zachau (Grüne) wird noch deutlicher: Es mache Sinn, die Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst zu halten. Dazu aber müssen die gleichen Kostenbedingungen geschaffen werden, wie in privaten Unternehmen. Doch über konkrete Zahlen herrscht weithin Unklarheit. Nur, daß der Stundenlohn von bislang rund 18 Mark bei den öffentlich Beschäftigten sinken wird; soviel ist allen klar. „Wenn ich noch weniger verdiene, dann brauch' ich aber zusätzlich Sozialhilfe“, sagt Irmgard Dodt. „Aber dann spart die Stadt doch wieder nicht“, wundert sie sich.

Unmut und Angst sind groß in den Reihen derer, die sich – jeder Beschönigung zum Trotz – immer noch als „Putzfrauen“ verstehen. Referentin Bärbel Lohmann vom Fachdienst für Arbeitsschutz kennt diese Angst gut und schiebt sie auf die Anerkennung. „Der Arbeitgeber läßt die Arbeiter ausbluten.“

Tatsächlich ist die drohende Privatisierung nur das I-Tüpfelchen auf einem Sumpf bestehender Mißstände: So legte ein Tarifvertrag von 1993 fest, daß die Putzkräfte mit besseren Maschinen ausgestattet werden sollen. Fehlanzeige: Bis heute kennen die wenigsten einen Teleskopstil oder eine bedienerfreundliche Bohnermaschine. Die Bestellliste ist lang, gibt Onno Dannenberg (ÖTV) zu. Zweitens sollten langjährige Mitarbeiter höher eingestuft werden. Auch Fehlanzeige: „Ich verdiene so viel, wie ein Sozialhilfeempfänger,“ sagt Irmgard Dodt. 1.400 Mark brutto - bei einem Schulleiter ist das der Ortszuschlag. Und: „Früher waren wir 15 an der Schule, jetzt sind wir zu dritt, zwei sind krank, schildert eine Putzfrau. Denn anders als die Arbeitnehmer haben die Arbeitgeber ihre Forderungen durchgesetzt: Leistung, Leistung, Leistung.

Liane Aiwanger