Senat erhält nur in der B-Note Pluspunkte

■ Die Initiative „Anstoß“ stellt der rot-schwarzen Kulturpolitik ein ziemlich schlechtes Zeugnis aus und fordert erneut einen höheren Etat und ein Ende des Förderungschaos

Au, fein! Von einem hübschen kleinen Eklat haben wir zu berichten. Er trug sich zu bei einer Pressekonferenz der Kulturinitiative „Anstoß“ über kulturpolitische Perspektiven. „Kommen Sie, es lohnt sich!“ hatte Theaterintendant und Anstoßler Klaus Pierwoß noch unter die Einladung geschrieben, und wahrlich es lohnte sich.

Die Galeristin Katrin Rabus, die neben Pierwoß quasi den Inner circle von „Anstoß“ bildet, schreitet durch die Reihen und verteilt Zettel. Der AfB-Kulturpolitiker Klaus Bernbacher möchte auch einen haben. Darauf Rabus: „Sie sind doch ein Auslaufmodell.“ Darauf der verärgerte Bernbacher: „Diese Flapsigkeiten lasse ich mir nicht bieten.“ Er springt auf, stürmt halb raus, um sich dann doch anderswo wieder hinzusetzen. Ein 1a-Schauspiel! Spontan, improvisiert, lebensnah und gratis. Dagegen fällt das Zeugnis, das „Anstoß“ für vier Jahre groß-koalitionäre Kulturpolitik auszustellen hat, ziemlich ab.

Würde die Initiative, die sich kurz nach dem 1996er-Streit um den Etat des Bremer Theaters gegründet hat und sich neben anderen den erfolgreichen Widerstand gegen das sogenannte McKinsey-Modell anrechnet, eine Note vergeben, käme wohl kaum mehr als eine drei-minus dabei heraus. Zwar seien einige Häuser auf Hochglanz poliert, doch in der Kulturpolitik „kritisieren wir die einseitige Ausrichtung auf Tourismusförderung und Standortpolitik“, hält Katrin Rabus dem SPD-CDU-Senat vor. „Es herrscht eine totale Unsicherheit in finanzieller Hinsicht, und es besteht die Aussicht, daß das noch komplizierter wird“, spricht sie vielen Kulturleuten aus der Seele.

Carsten Werner vom Jungen Theater etwa berichtet, mit der Mappe voller Förderungsanträge jetzt nicht mehr von der Kulturbehörde zum Wirtschaftsressort, sondern von der Marketing Gesellschaft zur neuen Kultur Management GmbH geschickt zu werden. „Doch die hat noch gar keinen Etat.“ Und der Chef des Focke-Museums, Jörn Christiansen, ergänzt: „Wir sind zwar seit fast einem halben Jahr eine Stiftung, doch wir werden behandelt wie eine nachgeordnete Dienststelle.“ Und die Projektgruppe Neue Musik ist mit ihrem jährlichen Festival einfach so aus der Förderung geflogen. Chaos überall. Wen man auch fragt, er gibt die gleiche Antwort. Und auch die drei neuen Kulturchefs – Reinhard Strömer (Leiter des verkleinerten Kulturamts), Margrit Hohlfeld (Kulturbüro) und Volker Heller (Kultur Management GmbH) – sollen mit den Ohren schon geschlackert haben. Auch deshalb knüpfen „Anstoß“ und die ganze Szene große Erwartungen an das Trio, und diejenigen, die schon mit den drei Hoffnungsträgern zu tun hatten, loben Kompetenz und Tatendrang. Für die Einstellung des Trios gäbe es bei einem Zeugnis für die rot-schwarze Kulturpolitik also Pluspunkte in der B-Note.

Wenn „Anstoß“ alle Macht der Bremer Welt hätte, dann würde aus den Forderungen der Initiative aber subito Wirklichkeit: Eine Erhöhung des Kulturetats von jetzt inclusive Kulturwirtschaftsgeldern rund 172 Millionen Mark auf 260 Millionen. Das entspricht einer Uraltforderung des Deutschen Städtetages von drei Prozent Kulturanteil am Gesamtetat. Über alle Kulturmittel inclusive Marketingetat sollen das Kulturressort und die Einrichtungen selbst verfügen. Zur Zeit wird der mit 34 Millionen Mark größte Teil freier Mittel vom Wirtschaftsressort und städtischen GmbHs unter die Leute gebracht. Und einen Staatsrat für Kultur würde „Anstoß“ auch einstellen, damit die Interessen der Szene im Senat auch leibhaftig vertreten sind und der nicht, „wie oft in der Vergangenheit, die Rolle des Widerparts spielt“, so Klaus Pierwoß. Schließlich holt „Anstoß“ die Idee einer Landesstiftung Kultur aus der Wiedervorlagemappe. Wo das Geld dafür herkommen kann, weiß die Ini-tiative auch: „Es gibt Großprojekte, die wir infrage stellen“, sagt Katrin Rabus und nennt die Rennbahn in der Vahr beim Namen: „Da soll für 30 Millionenen Mark etwas belebt werden, das nicht mehr am Leben ist.“ ck