Wo jetzt die Post so richtig abgeht

■  Das Tempodrom öffnet am Pfingstwochenende seine Türen am Ostbahnhof. Ein ehemaliger Postbahnhof dient als vorübergehendes Domizil. Chefin Irene Moessinger hofft auf eine „trashige Ära“ und erwartet mehr Clubcharakter

Ein kleines gelbes Holzschild weist bescheiden auf das vorübergehende Domizil des Tempodroms am Ostbahnhof. Hinter den Mauern des stillgelegten Postbahnhofes ragt bereits die blaue Zeltkuppel hervor. Etwas trist und eingeengt liegt der asphaltierte Innenhof in der Sonne. Wo früher Pakete auf Laster umgeladen wurden, wird ab Freitag für die nächsten drei Jahre Berlins bekannteste alternative Kulturstätte ihre Zelte aufschlagen, bis der neue Standort am Anhalter Bahnhof fertig ist.

Bis dahin ist alles eine Nummer kleiner als sonst. Das große Zelt liegt zusammengefaltet beimZirkus „Aramand“ und wartet auf Mieter. Auch die Wohnwagenresidenzen der ständigen Mitarbeiter sind auf einen kleinen Restbestand geschrumpft. Lediglich die Kübelpflanzen, die ehemals die Vorgärten der Wohnwagen zierten, wurden herübergeschafft und sind die einzigen Farbtupfer im Innenhof. „Die idyllischen Zeiten im Tiergarten sind vorbei“, sagt Tempodrom-Chefin Irene Moessinger. „Es beginnt die trashige Ära am Ostbahnhof!“ – so ihre Message.

Doch drei Tage vor der Eröffnung sind es die Bohrmaschinen, die dem stillen Ort Leben verleihen. Der vertraute gelbgrüne Holzzaun aus dem Tiergarten versteckt provisorisch den abfallenden Putz der Klinkerwand, an der bereits zwei brandneue Zigarettenautomaten in der Sonne glänzen. Kasse, Garderoben und Getränkewagen verdecken den Blick auf die alten Postrampen. „Geile Location“ nennen die jüngeren Veranstalter das Gelände. Und darauf setzt auch Irene Moessinger: „Ich bin total glücklich!“

Vor wenigen Monaten war die Stimmung noch ganz anders. Seitdem klar war, daß das Tempodrom dem künftigen Bundeskanzleramt weichen muß, stritten sich die Stadt und das Tempodrom um die Kosten. Inzwischen zahlt Berlin sechs Millionen Mark Entschädigung, doch der Neubau am Anhalter Bahnhof wird 32 Millionen Mark kosten. Doch Moessinger ist optimistisch: „22 Millionen haben wir bereits. Und der Zwischenstandort wird seinen kleinen Teil dazu beitragen, schließlich ist das die Partymeile Berlins.“

Und diese scheint durchaus attraktiv. Bis Silvester zumindest liegen bereits Buchungen vor. Allerdings sieht die Tempodrom-Chefin auch einer charakterlichen Veränderung entgegen: „Das sind ganz andere Menschen, die jetzt unser Zelt mieten“, sagt sie. „Die werden eine völlig eigene Dynamik entwickeln, wahrscheinlich bekommt das ganze mehr Clubcharakter!“ Ein wenig wehmütig denkt sie an den alten Standort. „Der wird lediglich als Parkplatz genutzt!“ ärgert sie sich. „Da hätten wir noch eine Saison spielen können!“ Katrin Cholotta