Blutwurst mit Perspektive

Arminia Bielefeld muß die kommende Saison, die aller Wahrscheinlichkeit nach in der ersten Liga stattfindet, mit einem sehr schmalen Etat angehen  ■   Aus Bielefeld Michael Becker

Arminia Bielefeld hat es fast geschafft. Vier Spieltage vor dem Saisonende hat „die mit Abstand spielstärkste Mannschaft der Liga“, wie Fürths Trainer Benno Möhlmann anerkennend urteilt, als Tabellenzweiter hinter Unterhaching sechs Punkte Vorsprung auf einen Nichtaufstiegsrang. Beim 2:1 gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth bewies die Elf von Trainer Thomas von Heesen am Montag abend erneut, daß sie spielerisch tatsächlich zum Besten gehört, was die zweite Bundesliga zu bieten hat.

Vor allem die linke Angriffsseite mit den flinken und schußgewaltigen Ronald Maul und Jörg Böhme wirbelte die Fürther Hintermannschaft des öfteren durcheinander. Folgerichtig die Tore: Beim 1:0 überraschte Maul die verdatterten Fürther mit einem fulminanten Schuß vom linken Strafraumeck, als jedermann mit einem Paß in die Mitte rechnete. Dem 2:0, unmittelbar nach der Halbzeit, ging ein präzises Zuspiel von Böhme in den flotten Lauf von Maul voraus, dessen Hereingabe – wer sonst? – Bruno Labbadia vollendete. Der postwendende Anschlußtreffer der Gäste durch Carsten Klee stellte zwar noch ein Gesundheitsrisiko für Arminentrainer Thomas von Heesen dar („wenn wir noch zwei bis drei solcher Spiele haben, fange ich an zu rauchen“), die Chancen seines Teams für den nach 1970, 1978, 1980 und 1996 insgesamt fünften Aufstieg in die Erstklassigkeit schmälerte er freilich nicht mehr.

Trotz aller Euphorie rund um die Bielefelder Alm ergibt sich dort nun eine seltsame Situation. Die Mannschaft ist zu stark für die zweite Liga; um in der Bundesliga voll konkurrenzfähig zu sein, scheinen jedoch einige personelle Verstärkungen dringend angeraten. Genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Selbst im Falle des Aufstiegs muß der Etat im Vergleich zur laufenden Zweitligasaison zusammengestrichen werden. Zu drückend sind die Altlasten aus der Amtszeit des Ex-Managers Rüdiger Lamm. Eine Etatunterdeckung von 6,5 Millionen Mark läßt keine finanziellen Spielräume, auch wenn ein großer Batzen dieser Summe durch den Transfer von Giuseppe Reina zu Borussia Dortmund abgefangen werden kann.

Dieser Situation ist sich auch Hermann Gerland bewußt, dem als Nachfolger des zum Saisonende sein Amt niederlegenden Thomas von Heesen die Personalplanung für die kommende (Erstliga-)Saison obliegt. „Wir haben kein Geld“, brummelt Gerland lapidar, um sein Dilemma bei der Spielersuche dann doch noch bildlicher zu umschreiben: „Ich will Filet kaufen, habe aber nur Geld für Blutwurst oder Schweinebauch in der Tasche.“

Dennoch will man sich in Bielefeld nicht unter Druck setzen lassen. Unverkennbar ist das Bemühen des Lamm-Nachfolgers Heribert Bruchhagen, langfristig zu planen. Spektakuläre Neuverpflichtungen stehen nicht zur Debatte. „Vor zwei Jahren hat man hier reihenweise Kracher präsentiert und ist dann als 18. aus der Bundesliga abgestiegen. Das Resultat ist, daß nun Probleme wie die Steuerfahndung und andere Dinge auf uns zukommen. Aufgrund finanzieller Sachzwänge sind gewisse Spielertypen momentan für uns kein Thema“, sagt Bruchhagen und stellt klar: „Arminia Bielefeld kann und will sich in dieser Hinsicht in nächster Zukunft nicht mehr so weit aus dem Fenster lehnen, wie das unter meinem Vorgänger der Fall war.“

Die Struktur der Mannschaft soll der Struktur des Vereins wieder angepaßt werden. Also verpflichten die Ostwestfalen vorerst Blutwurst mit Perspektive. Die U 21-Nationalspieler Thorsten Nehrbauer und Alexander Klitzpera, der Kapitän der U 21 von Kamerun, Baya-Baya, und der 24jährige Brasilianer Marcio Borges sind zweifelsohne Talente, von denen einiges zu erhoffen ist. Gestandene Bundesligakräfte sind sie (noch) nicht. „Wir müssen Zeit gewinnen“, sagt Hermann Gerland. Die weiteren Bemühungen werden vor allem zum Ziel haben, abgesehen von Reina die Leistungsträger an Bord zu behalten. Mit dem Gerüst der momentan in der zweiten Liga so erfolgreichen Mannschaft und einigen preiswerten frischen Kräften im Verbund mit dem begeisterungsfähigen Alm-Publikum soll dann der Klassenerhalt geschafft werden. „Wenn wir von allzu großem Verletzungspech verschont bleiben und vom Präsidium über die Mannschaft bis zu den Fans alle an einem Strang ziehen, ist der Klassenerhalt machbar. Wir müssen nur die Ruhe bewahren und an unsere eigene Stärke glauben“, ist der künftige Trainer Hermann Gerland überzeugt.