■ Haushaltspolitik: Der neue Finanzminister ist bloß Kassenwart
: Mit angezogener Handbremse

Vor drei Jahren wurde eine ziemlich unbekannte Frau Finanzministerin in Berlin. Bei ihrem Kassensturz scheuchte sie die ganze Stadt auf: Berlin ist pleite, sagte Annette Fugmann-Heesing und legte eine Statistik auf den Tisch, die das eindeutig belegte. Politik funktioniert seitdem anders in der Stadt. Fugmann-Heesing gilt seitdem als Modernisiererin.

Vor drei Wochen wurde ein als ziemlich dröge bekannter Mann Finanzminister in Bonn. Bei seinem Kassensturz erschreckte er alle seine Ministerkollegen: Der Bund ist pleite, sagte Hans Eichel und schickte einen Brief herum, in dem er sieben Prozent weniger Ausgaben je Ministerium einforderte. Seitdem fragen sich alle, wer wohl Eichels Aktentasche mit einem Chirurgenkoffer voller Finanzskalpelle vertauscht haben mag. Modernisierer wird Hans Eichel trotzdem nicht.

Eichel ist zwar der Ziehvater von Fugmann-Heesing, die sich bei ihm in Hessen ihre ersten Sporen als Finanzministerin verdiente. Im Gegensatz zu seinem Zögling aber ist Eichel eben bloß Kassenwart. Er hat begonnen, was bislang kein Finanzminister der Republik auch nur versucht hat: den Haushalt des Bundes zu konsolidieren.

Eichel will die astronomische Neuverschuldung zurückfahren. Und das ist überfällig. Eichels Ziehtochter Fugmann-Heesing hat das alles genauso gemacht – aber sie hat darüber hinaus Impulse in der Steuerpolitik gesetzt. Ihr Motto hieß: „Volle Kraft voraus!“ Hans Eichels wichtigstes Wort lautet dagegen „Vollbremsung“ – und das leider auch bei den Vorschlägen, mit denen man Wirtschaft und Gesellschaft anstoßen und motivieren kann.

Die Reform der Unternehmenssteuern war vor gerade zwei Monaten noch das Licht am Ende des rot-grünen Tunnels. Im Jahr 2000 sollte sie kommen, Eichel hat den Tunnel kurzerhand bis 2001, wahrscheinlich 2002, verlängert. Das Lichtlein ist nicht mehr zu sehen.

Genauso wäre es der Familiensteuer gegangen, wenn Karlsruhe nicht Fristen gesetzt hätte. Was macht Eichel? Er nimmt die billigste Reformvariante, jene, die die Partner mit Kind am wenigsten entlastet. Man könnte vereinfachend sagen, daß es um die Zukunft hierzulande nicht so gut bestellt ist, weil mit Unternehmen, Kindern und dem Staatssäckel so nachlässig umgegangen wird. Hans Eichel hat sich entschlossen, die Finanzen zu sanieren. Das ist zuwenig für eine Regierung, die Reformen will. Christian Füller