20.000 „isch des Wurscht“

Kritik wird gelassen beiseite gewischt: Bei der Hauptversammlung von DaimlerChrysler feiern die Aktionäre den Erfolg der Autofusion  ■   Aus Stuttgart Klaus-Peter Klingelschmitt

Das war keine Hauptversammlung mehr im klassischen Sinne. Die erste ordentliche Versammlung der Aktionäre von DaimlerChrysler nach der Fusion 1998 gestern in Stuttgart war ein Event der religiösen Art. Der Gott: das Automobil. Der Hohepriester: Jürgen E. Schrempp, Vorstandsvorsitzender des binationalen Giganten. Sein Stellvertreter im heiligen Amt: Ko-Chef Robert J. Eaton aus Detroit. Und die Gläubigen? 20.000 zufriedene Aktionäre, die dem Gott und der Priesterkaste zu Füßen lagen.

Die 150 „Ketzer“ vom Dachverband der kritischen Aktionäre mit ihren wenigen Aktien im Wert von nur knapp fünf Millionen Mark spielten bei dieser Celebration nur eine marginale Rolle. Von „falschen Marketingstrategien“ beim „Smart“ oder sogar von „Landminen“, deren Produktion von DaimlerChrysler – beim Einsatz von Nato-Bodentruppen im Kosovo –vielleicht wieder aufgenommen werden könnte, wollte an diesem Feiertag kein anderer Kirchgänger etwas hören.

Nicht einmal die laut den kritischen Aktionären geplante Verfünffachung der Vorstandsgehälter konnte die Besucher aufregen. Die Bosse sollen Daimler-Aktien zum garantierten Niedrigpreis erhalten. Bei den erwarteten Kurssteigerungen an der Börse können so satte Profite eingestrichen werden, ein in den USA inzwischen etabliertes System. Ex-Chrysler-Chef Robert Eaton kommt so auf ein geschätztes Jahreseinkommen von 20 Millionen Mark. Sein neuer Kollege Schrempp hingegen muß sich mit etwa 5,2 Millionen Mark zufriedengeben.

Den braven Kleinaktionären aus dem Schwabenland aber „isch des Wurscht“. Hauptsache, die Kasse stimmt; „daheim und in der Bilanz von DaimlerChrysler“. Und die Kasse stimmt. Die Versprechen wurden gehalten. In den ersten vier Monaten des laufenden Geschäftsjahres steigerte DaimlerChrysler den Umsatz um neun Prozent auf 46,7 Milliarden Euro.

Ohne die Probleme beim „Smart“ (siehe taz von gestern), die Schrempp einräumte, wäre der Rekordabsatz noch höher ausgefallen. Doch auch so wurden in den ersten vier Monaten dieses Jahres mit 332.000 Pkw sage und schreibe 22 Prozent mehr Mercedes-Pkwverkauft als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Und auch beim „Smart“ gehe es jetzt aufwärts, sagte Schrempp. Zuwachsraten auch auf der anderen Seite des Atlantiks bei Chrysler, Plymouth, Jeep und Dodge und weltweit bei den Nutzfahrzeugen. Die Konzernsparte Luftfahrt, die Dasa, boomt auch. Aufgrund aktueller Bestellungen der Lufthansa werde Airbus demnächst einen Marktanteil von deutlich über 50 Prozent erreichen. Die Prognose von Schrempp: „Wir werden 1999 das Rekordergebnis vom Vorjahr noch übertreffen.“

Die Fusion ist also gelungen. DaimlerChrysler hat 1998 rund 19.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen (plus sieben Prozent), in Deutschland und in den Vereinigten Staaten. Und stolz verkündete Vizepräsident Eaton auch, daß die versprochenen Spareffekte bereits eingetreten seien: „Wir werden für das Jahr 1999 Synergien in Höhe von 1,3 Milliarden Euro erreichen.“ Ovationen im Auditorium; deutsch-amerikanische Freundschaft live. Und satte 2,35 Euro Dividende pro Aktie für die begeisterten Gläubigen.