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Sparwut läßt Minister erst mal cool

Nur dem grünen Obersanierer Metzger gehen Kürzungsappelle des Finanzministers zu weit. CDU findet Kürzen im Prinzip gut – fordert aber Remedur der Politik    ■ Von Christian Füller

Berlin (taz) – Finanzminister Hans Eichel wird sich einen neuen Postboten suchen müssen, wenn er wieder blaue Briefe verschickt. Bei einigen seiner KabinettskollegInnen war sein Sparvorschlag, pro Ministerium pauschal über sieben Prozent der Ausgaben zu kürzen, gestern früh noch nicht angekommen. Das behauptete am Vormittag jedenfalls ein Sprecher von Verteidigungsminister Scharping, dem Eichel 3,5 Milliarden Mark aus dem 2000er Budget nehmen will. Der Finanzminister hatte am Montag einen Brief mit Kürzungsvorschlägen verschickt, weil die Steuerschätzung vergangene Woche staatliche Mindereinnahmen von mehreren Milliarden Mark für das Jahr 2000 prognostiziert hatte.

Wacker hielt sich Walter Riester, der kommendes Jahr um fast 13 Milliarden Mark erleichtert werden soll. Er wolle sich „der Herausforderung stellen“, meinte der Arbeitsminister. „Wir wissen, daß der Finanzminister dies nicht aus Jux und Dollerei macht.“ Nur die Bildungs- und Wissenschaftsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) forderte, man müsse Prioritäten setzen. Bulmahn hat als einzige Ministerin ihren Etat für dieses Jahr um eine Milliarde steigern können. Wenn Eichel mit seinem Sparappell durchdringt, wäre der 99er Zugewinn für ihr Zukunftsressort bereits im Jahr 2000 mehr als aufgefressen. Bei den anderen Ressorts hieß es erst einmal: „Kein Kommentar!“

Die Coolness der Minister ist gespielt. Vor zwei Monaten haben sie unter großem Wehklagen ein halbes Prozent abgeben müssen. Nun soll der Rasenmäher ihre Etats um 7,4 Prozent kürzer machen – quer über alle Ressorts ergäbe das 30 Milliarden Mark an Einsparungen. Das große Heulen und Zähneknirschen wird bald kommen. Bis 28. Mai soll der Brief des neuen Bonner Kassenwarts beantwortet sein. Schon im Juni beginnen die Beratungen für das kommende Jahr.

In den Regierungsfraktionen haben Eichels Kürzungen Marke Rasenmäher bereits Widerspruch gefunden. „Ich bin durchaus zufrieden“, sagte der grüne Haushaltssprecher im Bundestag, Oswald Metzger, „daß Hans Eichel die Konsolidierung ernst nimmt“. Metzger vermißte jedoch eine politische Prioritätensetzung. „Wir müssen sparen und gestalten.“

Metzger mahnte an, „daß Forschung, Bildung und Technologie weiterhin Vorrang haben müssen“. Da müsse man Geld in die Hand nehmen und dürfe nicht kürzen.

Metzger, der bislang als der verbal stärkste Sparkommissar galt, geht außerdem die Radikalität der Eichelschen Schnitte zu weit. „Es ist eine Illusion anzunehmen, daß wir in einem Jahr 30 Milliarden Mark reißen können“, kommentierte er die vom Finanzministerium angepeilte Summe der Kürzungen. Der grüne Politiker sprach gegenüber der taz die Befürchtung aus, daß Eichel eine „Allianz von Besitzstandswahrern“ auf den Plan rufe, die erst protestiert – und dann Steuererhöhungen fordert. „Wenn man die Meßlatte zu hoch ansetzt, provoziert man Mehrwertsteuererhöhungen.“

Sorgen bereitete gestern auch Eichels Steuerpolitik. „Jetzt müssen die Familienministerin und der Wirtschaftsminister sehen, wie sie ihre Schäfchen ins trockene bringen“, sagte der Steuerexperte Klaus Müller (Bündnis90/Die Grünen). Er spielte darauf an, daß Eichel die fest versprochene Reform der Unternehmenssteuer verschoben und eine grundlegende Umgestaltung der Familiensteuer abgelehnt hatte.

Sozial- und Christdemokraten sowie die FDP schoben sich unterdessen gegenseitig die Schuld für die schlechte Kassenlage im Jahr 2000 zu. „Weil die Regierung Kohl/Waigel versäumt hat, die Bundesfinanzen zu konsolidieren, hat die neue Regierung hohe strukturelle Defizite von mindestens 30 Milliarden Mark über die hohe jährliche Nettokreditaufnahme hinaus zu decken“, erklärte der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Joachim Poß.

Einen „Offenbarungseid“ nannte der haushaltspolitische Sprecher der FDP, Günter Rexrodt, die Sparpolitik. „So, wie Eichel den Haushalt 2000 angeht, wird er ihn an die Wand fahren“, sagte Rexrodt, der Wirtschaftsminister im Kabinett Kohl war.

Der Etatsprecher der CDU/CSU, Dietrich Austermann, begrüßte Eichels Kürzungspläne zwar im Prinzip. Trotzdem ließ er mitteilen: „Die Bundesregierung ist aufgefordert, ein schlüssiges Gesamtkonzept vorzulegen mit einer Remedur der gesamten Politik.“

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