Der Plan zum Ausstieg

Bis zum Sommer soll das Auslaufen der Atomkraft geregelt werden. Die Atomindustrie muß keine Bauernopfer fürchten. Hingegen könnte Benzin teurer werden  ■   Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – Bis Ende Juni will Bundeswirtschaftsminister Werner Müller jetzt mit den AKW-Betreibern „die Eckdaten einer Verständigung zur Kernenergie“ festschreiben. Etwa im September solle anschließend die mehrfach verschobene Änderung des Atomgesetzes in das parlamentarische Verfahren gehen, kündigte Müller gestern in Karlsruhe auf der Jahrestagung Kerntechnik an. In seiner Rede versuchte Müller der versammelten Atomgemeinde die geplante Ordnung der Restnutzung der Kernenergie als „betriebswirtschaftliche Chance“ schmackhaft zu machen. SPD und Grüne hätten in ihrer Koalitionsvereinbarung nur politisch aufgeschrieben, „was im konkurrierenden Ausland ganz genauso, aber ohne öffentliche Diskussion abläuft“, sagte Müller mit Blick auf die meisten deutschen Nachbarländer, in denen der Bau neuer AKW nicht in Erwägung gezogen werde.

Kernsatz der Koalitionsvereinbarung sei ein entschädigungsfreier Ausstieg. Dieser könne damit in Zukunft nicht wesentlich anders gestaltet sein „als ein normaler unternehmerischer Reinvestitionsprozeß“. Müller versicherte, daß die Bundesregierung beim Auslaufen der Atomkraft keinem Betreiber Bauernopfer abverlangen werde. Lediglich das eine oder andere Kernkraftwerk, das bereits am Rande seiner Wirtschaftlichkeit arbeite, könne einen früheren Abschalttermin erhalten als manches andere.

Bundesumweltminister Jürgen Trittin hat am Montag abend die AKW-Betreiber vor Verzögerungen bei der Suche nach einem Atomkonsens gewarnt und erneut mit einer Ausstiegsregelung per Gesetz gedroht. Beide Minister schlugen auch bei der Ökosteuer ähnliche Töne an: Bei den weiteren Stufen der Steuerreform soll eher das Benzin belastet werden und weniger der Strom – weil schon die erste Stufe der Reform „den Strom überproportional erfaßt“ habe, so Werner Müller gestern. Trittin hatte sich schon am Mittwoch ähnlich geäußert. Um die Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung wie gewünscht um 0,8 Prozent senken zu können, müßte nach vorläufigen Berechnungen die Benzinsteuer um 15 Pfennig pro Liter erhöht werden, wenn der Strom nicht belastet wird – das würde 16 Milliarden Mark bringen. Über die Stufen zwei und drei der Ökosteuer soll bis Ende Juni entschieden werden.