Wie kommt man von Bielefeld nach Bonn?

Nach dem Parteitag von Bielefeld: Die grüne Bundestagsfraktion sucht nach Wegen, die Forderung nach einer Feuerpause in den Bonner Politikbetrieb einzuspeisen, ohne die Koalition zu gefährden  ■   Aus Bonn Bettina Gaus

Nach dem Bielefelder Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt in verschiedenen Gremien die Diskussion darüber begonnen, wie der dort gefaßte Beschluß auf anderen Ebenen umgesetzt werden kann. Die Bundestagsfraktion hat den für Außenpolitik zuständigen Arbeitskreis damit beauftragt, ein Papier zu erarbeiten, das unter anderem die Forderung nach einer Feuerpause im Kosovo enthalten wird. Es soll eventuell die Grundlage für einen gemeinsamen Bundestagsantrag mit der SPD werden.

Die Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller betonte gegenüber der taz, sie wolle, „daß sich die Fraktion auf der Grundlage des Parteitagsbeschlusses klar positioniert“. Eine Einigung mit der SPD werde „sicherlich nicht einfach. Wir werden aber dranbleiben und Druck machen. Ziel ist ein gemeinsamer Antrag.“ Alleine könne ihre Fraktion keinen Antrag im Bundestag einbringen: „Das würde gegen die Kooperationsvereinbarung mit der SPD verstoßen.“

Unter Umständen soll das Papier allerdings auch gar nicht im Bundestag landen, sondern eine Grundlage für künftige Initiativen der Regierung bilden. Vorbereitet wird es von der bündnisgrünen Wehrexpertin Angelika Beer. Sie will darin eine „humane Flüchtlingspolitik“ festgeschrieben sehen sowie eine Feuerpause erreichen, die eine Versorgung der Binnenflüchtlinge ermöglichen soll. „Wenn das Kriegsziel der Nato noch ernst zu nehmen ist, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, dann gilt das auch heute noch für die ca. 800.000 Binnenflüchtlinge im Kosovo.“

Für den zuständigen Arbeitskreis hat Angelika Beer jetzt ein internes Diskussionspapier erarbeitet. Darin heißt es mit Blick auf den Parteitag: „Von den Delegierten haben sich 40 Prozent für ein unbedingtes Ende der Nato-Luftschläge ausgesprochen. 60 Prozent fordern die einseitige begrenzte Aussetzung der Luftangriffe durch die Nato. Das heißt, daß sich ca. 100 Prozent der Delegierten kritisch gegenüber dem Krieg der Nato und der deutschen Beteiligung daran positioniert haben.“ Die SPD, so Angelika Beer, scheine über das Ergebnis des bündnisgrünen Parteitages erleichtert zu sein, da sie „die Entscheidung nur aus machttaktischem Kalkül bewertet“ habe. „Dies kann unsere Partei nicht akzeptieren. Sie hat Positionen formuliert, die die Spielräume der bündnisgrünen Bundestagsfraktion, der Kabinettsmitglieder, aber auch der Landeskoalitionen erweitern – und Aufträge mit auf den Weg geben.“ Die Haltung von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Verteidigungsminister Rudolf Scharping, „die es von vornherein ablehnen, die Haltung der Grünen in die Regierungspolitik einfließen zu lassen, ist abzulehnen“.

Angelika Beer hält eine rasche Umsetzung des Parteitagsbeschlusses auch im Interesse der eigenen Partei für nötig: „Der in Bielefeld gefundene kleinste gemeinsame Nenner reicht zwar vordergründig, um die Koalition nicht zu gefährden, reicht aber nicht, um das Projekt Bündnis 90/Die Grünen zu stabilisieren.“ Für einige derjenigen, die ohnehin eine negative Bilanz der bisherigen Regierungsbeteiligung zögen, habe „die deutsche Beteiligung am Krieg im Kosovo das Faß zum Überlaufen“ gebracht. „Zu befürchten ist meines Erachtens weniger eine Austrittswelle als vielmehr der schleichende Rückzug der Kritiker aus der aktiven Politik.“