Ohne Illusionen

■ Viele Palästinenser reagieren mit Zurückhaltung auf den Wahlausgang

Freudenfeuer haben die Palästinenser nicht abgebrannt, als sie die Nachricht vom Wahlsieg Baraks vernahmen. Aber Genugtuung über die dramatische Niederlage des ungeliebten Benjamin Netanjahu wollte kaum jemand verhehlen. „Netanjahu ist nicht mehr da. Das ist die gute Nachricht“, sagt Radschi Surani, vom Palästinensischen Zentrum für Menschenrechte im Gazastreifen. „Allerdings“, so schränkt er ein, „war ich schokkiert über die Aussagen Baraks zu Jerusalem und den Siedlungen.“ Beides soll uneingeschränkt israelischer Kontrolle unterliegen. „Dennoch“, so räumt Surani ein, „haben sich die Israelis für einen Wechsel entschieden. Und das sollten wir positiv werten, wenn auch ohne Illusionen .“

Der Geldwechsler auf der Salah-Eddin-Straße in Ost-Jerusalem sieht alles ganz pragmatisch. „Es kann nur besser werden“, sagt er. „Der Schekel ist im Keller, und wir erwarten, daß sich das nun ändert.“ Optimismus aber legen die wenigsten Palästinenser an den Tag. Zu oft seien sie in der Vergangenheit schon enttäuscht worden, meint Ghassan Chatib vom Zentrum für Kommunikation in Jerusalem. „Ich glaube, daß Barak Verhandlungen will, aber es ist das eine zu reden und etwas anderes, Ergebnisse anzustreben.“ Ob der Siedlungsbau wirklich gestoppt werde, sei eine der Kernfragen. Auf jeden Fall erwartet Chatib, daß die USA besondere Anstrengungen unternehmen werden, um den Verhandlungsprozeß wieder in Gang zu bringen. Und dem könne sich auch Barak nicht entziehen. Arafats Chefunterhändler Saeb Ereikat nennt die Äußerungen Baraks über Jerusalem, die zukünftigen Grenzen und die Siedlungen „bedauerlich“. Barak hätte lieber sagen sollen, was er für den Friedensprozeß tun wolle.

Diplomatische Vorsicht ist nicht die Pflicht von Khader Schkirat. Seine Organisation vertritt die Anliegen palästinensischer Gefangener in israelischen und palästinensischen Gefängnissen. Er sieht nur „kosmetische“ Veränderungen im Wahlausgang. „Zweifelsohne wird die Atmosphäre besser werden“, sagt Shkirat. Aber einen großen Fortschritt mag er nicht konstatieren. „Alle wissen, daß die Siedlungen zuerst von der Arbeitspartei gebaut wurden. Und alle wissen auch, daß Barak sie behalten und Israel einverleiben will.“

In Baraks Statements sieht der PLO-Delegierte in Bonn, Abdallah Frangi, Maximalforderungen, die gegenüber dem Wähler, aber nicht am Verhandlungstisch Bestand hätten. „Die Abwahl von Netanjahu ist der große Erfolg.“ Über alles andere werde es nun „intensive Verhandlungen“ geben. Georg Baltissen