Es ist egal, aber

■ Die Grunge-Epigonen Jonas aus Bad Bentheim lassen keine exaltierte Szene aus

Sind Jonas jetzt erwachsen? Früher klang die Band wie eine Raubkopie von Nirvana. Heute fleht sie „sorry, I'm sorry, sorry“ und liefert mit ihrem zweiten Album die beste Dinosaur Jr.-Platte der letzten Jahre ab. Jonas haben das, was man bei Älteren Chupze nennt und bei Jüngeren mit Naivität entschuldigt. Denn natürlich sind die vier dem Zivildienstalter noch nicht entwachsen und dürfen mit zwanzig noch träumen.

Zum Beispiel von Amerika, wo man vor ein paar Monaten auf einer texanischen Musikmesse tapfer einen ganzen Saal leerspielte. In der Tat ist es wohl einfacher den Kühlschrankhandel auf Grönland anzukurbeln als Jonas im Mutterland des Grunge bekanntzumachen. Dort hat jede Highschool eine Band mit denselben Vorbildern und wer nicht gerade in Littleton wohnt, weiß dies auch zu schätzen.

Jonas aber kommen aus dem verschlafenen Bad Bentheim an der niederländischen Grenze. Dort würde sie heute noch niemand kennen, wäre man nicht auf die Idee gekommen, das eigene Demotape zu einem Tocotronic-Konzert mitzunehmen. Danach kam es wie es kommen mußte. Es ist egal, aber Tocotronic nahmen Jonas unter ihre Produzentenfittiche, veröffentlichten 1997 ein Debüt und überließen ihre Protegés fortan dem Glauben echte Rockstars zu sein. Seitdem ist sich die Band für keine exaltierte Szene zu schade. Schnell lernte man in Kneipen, mit dem guten Ruf der Plattenfirma zu bezahlen und zerdepperte auf der Bühne hingebungsvoll geliehenes Equipment.

Natürlich sind Jonas eigentlich ganz liebe Jungs. Die Geschichte ihres Namensgebers im Walbauch kennen sie bestimmt aus dem Religionsunterricht. In diesem Bauch, der den Häretiker verdaut, dürfen Jonas rocken. Dabei ist ihr Grunge-Katechismus nicht dicker als ein Bravo-Poster. Mudhoney? Tad? Screaming Trees? Von wegen. Einmal Nirvana und nie wieder zurück. Jonas sind so authentisch wie man es als Grunge-Band zum Ende eines Retro-Jahrzehnts eben sein kann. Ihre Waffe ist der Antizyklus. Wenn Jonas also Glück haben, werden sie nie älter und erleben in den nächsten fünf Jahren kein Grunge-Revival. Andererseits wäre es nämlich schnell uncool, in zerrissenen Jeans und einer Träne im Knopfloch „Maybe I don't wanna die“ zu singen. Michael Hess Mi, 26. Mai, 21 Uhr, Markthalle