Die Kunstmaschine

■ Zur Kunsthallenausstellung: Das Abaton zeigt Filme aus der Factory von Andy Warhol

Wroßbrüstig, motorisiert und vor allem lächelnd – so präsentiert sich das Nachkriegsamerika in den 50er Jahren. Siegerposen, mit denen sich die Helden im Film nach dem Schlagabtausch das kräftige Kinn reiben, sind jetzt etwas für jedermann. Und jedermann soll nun, nach gewonnenem Krieg, erst recht alles bekommen, was sein Konsumentenherz begehrt.

In einer Eine-Geburt-in-jeder-Minute-Gesellschaft, die Produktivität und Verwertung längst auch für Gebote des Anstands hält, ist es das Gesetz der Serie, das auch die Kunst schafft. Es sei denn, die Kunst kommt dem Warenkreislauf zuvor und produziert sich selbst. Massenhaft und immer gleich.

„I'd like to be a maschine“ postulierte Andy Warhol ebenso freimütig wie zeitgemäß und machte sich als Kunstmaschine daran, sich selbst zu schaffen. So will die Legende, daß Warhol, oder besser seine Mitarbeiter, stolze 900 Filme gedreht haben. Und weil in solcher Serie Autorenschaft nicht viel zählt, blieb die Hauptsache: Wo Andy Warhol drauf steht, ist Factory drin.

Die Factory-Filme verschwisterten auf eigenwillige Weise Trash und Experimentelles mit den Eigenschaften eines Massenproduktes. Pop Art liebte die Dinge. Und Andy Warhol liebte den Glanz der Hollywood-Filme, die Schönheit der Oberfläche – „I never read, I look at pictures“.

Die technische Dimension eines Hollywood-Films substituiert Andy Warhol schlau und mit viel verstecktem Kalkül: Das Imposante einer Cinemaskop-Leinwand kann er mit 16-mm-Material nicht erreichen, aber er kann die Bilder zigmal nebeneinander plazieren. Statt Schnitt und Szenenwechsel läßt Warhol jemanden durch die starre Einstellung gehen. Die Wiederholung ersetzt in seinen Filmen die Sensation und das Durative die Erzählung. Melodram, Epos oder Glamour sind bei Warhol durch andere Maßlosigkeiten vertreten. Sechseinhalb Stunden zeigt er uns einen schlafenden Mann, acht Stunden das Empire State Building und immerhin eine Stunde lang ein knutschendes Paar. In Eat ißt jemand 45 Minuten einen Pilz. In Blow Job braucht ein anderer 30 Minuten, um zu kommen.

„I don-t want to get too close...I don-t like to touch things.. that's why my work is so distant from myself“ – Arbeit als geordneter Rückzug vom Leben. Film als Oberflächenbollwerk zum Schutz des Privaten. Angst und Neurosen grundieren auch häufig die Psychologie der Filmfiguren. In Chelsea Girls werden die Monologe zum Seelenporno, in The Nude Restaurant assoziert, sabbelt und brabbelt „Superstar“ Viva als gebe es kein Morgen mehr.

Die Zeit der Bilderoffensive ist Ende der 60er vorbei. Es wird jetzt geschnitten und Drehbuch geschrieben. Mit Flesh und Trash liefert die Factory Filme, die auf kommerzielle Verwertbarkeit zielen und tatsächlich erfolgreich in den Kinos laufen. Nur die Produktionbedingungen – gedreht an vier Wochenenden und mit nur 40.000 Dollar – sind noch die alten.

Trotz des Erfolges rührt sich Hollywoods nicht. Aber Cinecitta. In Rom produziert Carlo Ponti Andy Warhols Frankenstein und Andy Warhols Dracula unter der Regie von Paul Morrissey. Nacktstars wie Joe Dallesandro werden so über den subkulturellen Tellerrand berühmt. Das Starsystem Warhol geht auf. Strenggenommen von Anfang an. Was abgelichtet ist, darf Diva werden. Denn wenn das Empire State Building in den ersten 15 Minuten langsam aus dem Dunst und Nebel auftaucht, ist das nicht minder effektvoll, als wenn Greta Garbos Konturen sich in Anna Karenina ganz langsam aus dem Dampf der Lokomotive schälen. Oder Bogart, den der Nebel am Flughafen in Casablanca stellvertretend für die Ewigkeit umfängt. Birgit Glombitza

The Nude Restaurant: Di, 25. + Mi, 26. Mai, 22.45 Uhr. Lonesome Cowboys: Mo, 31. Mai + Di, 1. Juni, 22.45 Uhr