Staatsmonopol mit Kompetenz

■ Zum zehnten Musikfest Bremen im Spätsommer wurde hinter den Kulissen kräftig neu sortiert

Eine überraschend neue Besetzung auf dem Podium präsentierte das zehnte Musikfest, das Bremen vom 27. August bis zum 2. Oktober zur Musikstadt machen soll: Kunsthallendirektor Wulf Herzogenrath war dabei, um schon mal die kulturtouristisch attraktive und zeitgleiche Ausstellung „Von Caspar David Friedrich bis Manet“ anzukündigen. Hermann Pölking-Eiken von der Agentur C&P, die das Musikfest seit 1989 wohl am Ende mehr schlecht als recht durchgeführt hat, fehlte dagegen. Die Kultursenatorin fehlte auch. Dafür gab es einen Auftritt des Wirtschaftssenators Josef Hattig. Geschäftsführerin Ilona Schmiel von der Glocke, die nun auch Geschäftsführerin des Musikfestes ist, gesellte sich dazu.

Mit ihr und Thomas Albert, der ab sofort – mit einem Vertrag für die nächsten drei Jahre – als „Intendant“ künstlerischer Leiter des Musikfestes ist, sind zwei Akteure nicht eben freiwillig miteinander verheiratet worden. Nun weiß man, daß Liebe oft schiefgeht und Nichtliebe am Ende doch zu gegenseitigem Respekt führen kann. Um diesen Eindruck bemühten sich beide auf geradezu eindrucksvolle Weise. Besonders Thomas Albert verbreitet Erleichterung: „Das ist wie ein Jubiläumsgeschenk.“ Und dies, obschon er sich den Geschäftsführer, den er seit Jahren einklagt, wohl lieber selbst ausgesucht und nicht über die stadteigene Hanseatische Veranstaltungsgesellschaft (HVG) zur Seite (oder ins Oberstübchen) gestellt bekommen hätte.

„Wir sind uns einig“, sagten sowohl Frau Schmiel als auch Herr Albert, „wir rücken näher zusammen.“ Zur wirtschaftlichen Grundlage: Bisher bildeten das Kultur- und das Wirtschaftsressort mit je 400.000 Mark die finanzielle Basis des Musikfestes. Hinzu kam noch der eine oder andere Hunderttausender als sogenannte Liquiditätsgarantie. Darauf hat Thomas Albert mit der ihm eigenen Überzeugungskraft ein tragfähiges und einmaliges Sponsorenmmodell aufgebaut: Die Firmen zahlen ganze Konzerte, was zur Folge hat, daß es keine Katastrophe ist, wenn sich ein Unternehmen mal verabschiedet. Im letzten Jahr war der Gesamt-etat auf sechs Millionen gewachsen. Aber Thomas Albert ist weder ein Freund von Zahlen noch von rechtzeitigen Planungen. Im letzten Jahr erreichte das Defizit mit fast einer Million Mark wohl die Schmerzgrenze. Das Wirtschaftsressort glich es über eine Liquiditätsgarantie zwar aus, aber verordnete zugleich Reformen.

Die Durchführung des Musikfestes liegt jetzt in Händen der HVG-Tochter Glocke. Das ist nicht unlogisch, denn die meisten Konzerte finden sowieso im Konzerthaus an der Domsheide statt. Josef Hattig: „Das ist von mir stark betrieben worden.“ Pölking-Eiken bleiben zunächst Marketing und Kartenverkauf. So zog er es vor, nicht auf dem Podium zu erscheinen.

Die Wirtschaftsdeputation hatte zuletzt einen Zuschuß von 1,7 Millionen Mark bewilligt. Wegen einer generellen Ausgabenkürzung kommen davon 1,6 Millionen Mark beim Musikfest an, und die Kultursenatorin zahlt, wie ein Sprecher bestätigte, gar nichts mehr. Die HVG hält 51 Prozent der Anteile, 49 Prozent gehören dem Schiffbauer Lürssen. Weitere Unternehmen hätten aber Interesse an einer Beteiligung signalisiert, sagte Ilona Schmiel auf Anfrage. Wer wieviel abgibt, sei aber noch unklar.

Hält die HVG jetzt ein Staatsmonopol in Sachen Kunst? Und baut sie das Musikfest – wie „Jekyll & Hyde“ – zum Tourismusangebot um? Zumindest erreicht es leider noch viel zu wenig aus größerer Entfernung anreisende Besucher – im letzten Jahr acht Prozent.

Man kann es so sehen, und es gilt, wachsam zu bleiben. Man kann es auch anders sehen: Mit Ilona Schmiel hat eine Frau die wirtschaftliche Verantwortung übernommen, die ihre Kompetenz in Sachen Kunst längst nachgewiesen hat. Fünf Millionen Mark verwaltet sie, und mit alleinigem Zeich-nungsrecht steht sie für die Neuordnung und Gesundung des Musikfestes gerade, dem man einmal mehr ein konzeptionelles Profil wünscht.

Das Programm kann sich trotzdem – wie immer – sehen und hören lassen: in Sachen Aufführungspraxis ist das Meiste vom Feinsten. So John Eliott Gardner mit seinem „Orchestre Révolutionaire et Romantique“, der das Eröffnungskonzert spielen wird. So zum ersten Mal beim Musikfest: das Orchester des 18. Jahrhunderts unter Frans Brüggen. Aufregend wird sicher der Auftritt des Bach-Collegiums Japan, genauso wie viele Kammerkonzerte. Es sind Künstler mit unangefochtenem Niveau. Daneben gibts nette Sensationstermine, die aber kein Konzept erkennen lassen.

Ute Schalz-Laurenze/ck