Großbritannien als globalisierter Gutmensch

■ Unter New Labour verfolgt Großbritannien eine „ethische Außenpolitik“. Der Einsatz härtester Mittel – bis hin zu Bodentruppen im Kosovo – ist damit moralisch abgedeckt

„Die Nato wurde aus der Niederlage des Faschismus geboren. Fünfzig Jahre später können wir die Wiedergeburt des Faschismus auf unserem Kontinent nicht hinnehmen. Deshalb sind unsere Männer im Kosovo im Einsatz.“ Der britische Außenminister Robin Cook scheut deutliche Worte nicht, wenn er die harte Position Großbritanniens im Jugoslawien-Krieg begründen will. Kein anderes Land drängt derzeit so stark darauf, den Einsatz von Bodentruppen im Kosovo auch ohne jugoslawische Zustimmung möglich zu machen.

Cooks Begründung – geäußert in einer Unterhausdebatte in London am 19. April – ist Teil der neuen „ethischen Außenpolitik“, die New Labour sich auf die Fahnen geschrieben hat. Moralische Interessen gehen vor, strategische sind nachgeordnet. Außenpolitik ist für New Labour ähnlich interventionistisch wie die moralisch angetriebene Innenpolitik – sie ist die Durchsetzung von New-Labour-Programmatik außerhalb der Landesgrenzen. Daß man nicht nur Rechte hat, sondern auch Pflichten, gilt nicht nur für Bürger in der nationalen Gemeinschaft, sondern auch für Staaten in der internationalen Gemeinschaft. Eingreifen ist wieder hoffähig geworden, ähnlich wie früher in den Zeiten des imperialen Sendungsbewußtseins.

Doch Irak, Sierra Leone und Kosovo – die Konflikte, in denen Großbritannien seit Labours Machtantritt 1997 militärisch aktiv geworden ist – ergeben zusammen weder ein Weltreich noch ein geopolitisches Konzept. Sie sind zufällig vorgefundene Aktionsfelder für die Anwendung des Labour-Wahlversprechens von 1997, wonach Großbritannien „eine Kraft für das Gute in der Welt“ sein solle. In seinem Grundsatzpapier zur Reform der britischen Verteidigungspolitik schrieb Verteidigungsminister George Robertson 1998: „Die Briten sind instinktiv ein internationalistisches Volk. Wir glauben, daß wir in der Welt nicht nur unsere Rechte verteidigen, sondern unsere Verantwortung wahrnehmen sollten. Wir wollen nicht tatenlos danebenstehen und humanitäre Katastrophen oder die Aggression von Diktatoren ungebremst hinnehmen. Wir wollen Führung geben, wir wollen eine Kraft für das Gute sein.“

Wenn die moralischen Ziele derart feststehen, braucht die Frage der richtigen Mittel nur noch pragmatisch geklärt zu werden. Daraus ergibt sich, daß in Großbritannien die Frage des Einsatzes kämpfender Bodentruppen im Kosovo vor allem von der Zweckmäßigkeit her diskutiert wird – nämlich, ob damit der Krieg besser zu gewinnen wäre. In der jüngsten großen Kosovo-Debatte im Londoner Unterhaus am Dienstag abend wurden ausführlich historische Erfahrungen und Szenarien hin- und hergewälzt. Allmählich schälte sich ein Konsens für die Erwägung eines eventuellen Einsatzes von Bodentruppen zur Rückführung der Flüchtlinge auch vor einer Zustimmung Miloevic' heraus.

Die schärfste Kritik daran kommt nicht von links, sondern von provinziellen Rechten, die jede Aufmerksamkeit für Vorgänge außerhalb der Insel für Zeit- und Geldverschwendung halten. In den Augen von New Labour ist Großbritannien demgegenüber geradezu prädestiniert für eine internationale Führungsrolle: weniger isolationistisch als die USA, weniger historisch vorbelastet als Deutschland, weniger nationalistisch gesinnt als Frankreich.

Damit kommt dem Land aus Sicht seiner Regierung ganz automatisch eine Führungsrolle zu. So will Tony Blair nach einem Zeitungsbericht den scheidenden Führer der Liberaldemokraten, Paddy Ashdown, zum neu zu schaffenden Posten eines EU-“Außenministers“ vorschlagen. Ashdown ist noch viel interventionistischer als Blair; seine Partei plädierte bereits von Anfang an für den Bodenkrieg im Kosovo. „Wenn unsere andauernde militärische Anstrengung wirkungsvoll sein soll“, sagte der liberale Abgeordnete Menzies Campbell, Anwärter auf Ashdowns Nachfolge als Parteichef, am Dienstag, „muß sie die Mobilisierung ausreichender Bodentruppen einschließen ... um einen Einmarsch im Kosovo zu erzwingen und in einem feindlichen Umfeld zu operieren.“

Das geht weit über alles hinaus, was die Regierung Blair öffentlich zu tun bereit ist. Angesichts des Unwillens in den meisten Nato-Ländern, Bodentruppen im Kosovo auch gegen jugoslawischen Willen in Betracht zu ziehen, wird in London bereits eine Rückzugslinie vorbereitet. Hier wird Miloevic nicht mehr mit Hitler verglichen, sondern mit Stalin, und der Luftkrieg über dem Kosovo mit der Luftbrücke nach Berlin. Verteidigungsminister Robertson schloß die Kosovo-Debatte im Unterhaus in der Nacht zu gestern mit folgenden Sätzen: „Hartnäckigkeit, Willenskraft, Ausdauer und Einigkeit schlugen Stalin 1948. Wir werden sicherlich Miloevic schlagen.“ Dominic Johnson

New Labour global: „Wir glauben, daß wir in der Welt nicht nur unsere Rechte verteidigen, sondern unsere Verantwortung wahrnehmen sollten“