„Wir wollen Söhne, keine Särge“

■  Erste Massenproteste in Serbien: Tausende Angehörige von Soldaten verlangen auf Demonstrationen die sofortige Rückkehr von Wehrpflichtigen aus dem Kosovo

Zum ersten Mal seit Beginn des Krieges in Jugoslawien ist es offenbar zu größeren Protesten von Soldatenangehörigen gekommen. Die jugoslawische Armee hat Berichte verschiedener Medien bestätigt, wonach am Montag und Dienstag in der südserbischen Stadt Krusevac „Demonstrationen einer destruktiven Art“ stattgefunden hätten. Die Armee erklärte nach Angaben der serbischen Nachrichtenagentur Beta, die „Demonstrationen, Zerstörungen und Eigenwilligkeiten“ in der Stadt stellten eine „direkte Kollaboration mit dem Feind“ dar.

Oppositionskreise und montenegrinische Medien hatten zuvor berichtet, in Krusevac seien am Montag über 3.000 Menschen auf die Straße gegangen – zumeist Frauen. „Wir wollen Söhne, keine Särge!“ hätten sie gerufen und dagegen protestiert, daß ihre wehrpflichtigen Angehörigen länger als vorgesehen im Kosovo dienen müßten. In der Stadt Alexandrovac hätten 1.000 Demonstranten versucht, die Abreise von Soldaten zurück an die Front nach ihrem Wochenendurlaub zu verhindern. Unmittelbarer Auslöser der Proteste war die Rückführung der Leichen von sieben Soldaten aus Krusevac und drei aus Alexandrovac, die im Kosovo den Tod gefunden hatten.

In beiden Städten seien die Bürgermeister aus der regierenden Sozialistischen Partei angegriffen worden. Nach Berichten montenegrinischer Medien wurde der Bürgermeister von Alexandrova „im Wortsinne gelyncht“. In Krusevac verhinderte die Polizei, daß die Demonstranten in das örtliche Fernsehgebäude eindrangen. Sechs Menschen sollen in Krusevac verhaftet worden sein; sie müssen mit einer Anklage wegen Landesverrats rechnen.

Regimetreue Kräfte in Belgrad reagierten gestern mit Angriffen auf den Sitz der oppositionellen Demokratischen Partei unter Zoran Djindjic, aus der die Nachrichten über die Proteste an die Öffentlichkeit gelangt waren. Nachdem das Gebäude in der Nacht zu gestern mit Drohparolen beschmiert worden war, versammelten sich gestern vormittag etwa 100 Menschen vor der Parteizentrale und bewarfen sie mit Ziegelsteinen. Die Polizei griff dagegen nicht ein, verhinderte aber die Erstürmung des Gebäudes.

Die Ultranationalisten trugen schwarze Lederjacken, kurzgeschnittene Haare und kamen mit Luxusautos zum Tatort, so eine Parteisprecherin. Sie riefen: „Wir werden Djindjic töten!“ und „Wir geben das Kosovo nicht her!“

Die Demokratische Partei ist seit Wochen Ziel ununterbrochener Angriffe der serbischen Staatsmedien und Regierungsparteien. Ihr wird „Komplizenschaft mit den Nato-Aggressoren“ vorgeworfen. Am vergangenen Freitag hatte der zur Demokratischen Partei gehörende Bürgermeister der Stadt Nis, Zoran Zivkovic, die serbische Regierung dazu aufgefordert, „alles zu tun, um die Luftangriffe zu beenden“. In Belgrad hatte er erklärt: „Wenn Patriotismus heißt, daß wir für eine Idee getötet werden sollen, sind wir nicht einverstanden.“ AFP, dpa, taz